Regierung bringt Beschlüsse zu Fall

von Redaktion

Abstimmung in Sonderausschuss rechtswidrig – Haushalt muss neu beraten werden

Rosenheim– Die Stadt Rosenheim hat gegen die Gemeindeordnung des Freistaats Bayern verstoßen. So zumindest sieht es die Regierung von Oberbayern. In der Folge müssen die Stadträte den Haushalt für das laufende Jahr noch einmal beschließen. Ausgerechnet ein Stadtrat hatte sich bei der Regierung von Oberbayern gemeldet und auf den Verstoß hingewiesen.

Kritik für zwei Entscheidungen

Die Stadträte hatten in der Dezembersitzung des Sonderausschusses Krisenfall unter anderem den Haushalt für 2021 verabschiedet, was diesem Gremium laut bayerischer Gemeindeordnung aber nicht zusteht. Selbst zu Pandemiezeiten nicht. Denn: Einem Sonderausschuss dürfen grundsätzlich nicht alle Aufgaben eines Stadtrats übertragen werden, dazu gehört auch die Verabschiedung des Haushalts. Lediglich ein Ferienauschuss darf alle Aufgaben erledigen, die sonst dem Stadtrat oder einem beschließenden Ausschuss vorbehalten sind. Allerdings nur während einer vom Stadtrat in seiner Geschäftsordnung vorab zu bestimmenden Ferienzeit von bis zu sechs Wochen. So ist es in der bayerischen Gemeindeordnung nachzulesen.

Die Rosenheimer Stadträte aber hatten sich – wie berichtet – bereits im Dezember 2020 mehrheitlich dafür ausgesprochen, alle Stadtrats-, Ausschuss- und Aufsichtsratssitzungen entfallen zu lassen und dafür den „Sonderausschuss Krisenfall“ zu bilden. Sie hatten diese Entscheidung per Umlaufverfahren getroffen, also ohne sich physisch zu begegnen. Die Vereinbarung erfolgte auf schriftlichem Wege. Dieses Vorgehen missbilligt die Regierung ebenfalls. „Eine Beschlussfassung des Stadtrats ist nicht im Umlaufverfahren zulässig, da die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) zwingend die körperliche Anwesenheit der Abstimmenden vorschreibt“, sagt Wolfgang Rupp, Pressesprecher der Regierung von Oberbayern. Das Bayerische Innenministerium habe den Kommunen bereits im April 2020 einen entsprechenden Hinweis gegeben. Eine anders lautende Sonderregelung galt bis Ende April 2020. Am 10. Dezember 2020 schrieb das Ministerium an Landratsämter, Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften und zeigte auf, wie während der zweiten Pandemiewelle mit Sitzungen umzugehen ist. Aus dem Papier geht ebenfalls klar hervor, dass alle vorherigen Regelungen ihre Gültigkeit verlieren.

Die Stadt interpretierte diese Hinweise jedoch anders und fasste die nicht rechtskonformen Beschlüsse. „Das Innenministerium hat im März 2020 gerade nicht darauf hingewiesen, dass ein Umlaufbeschluss unzulässig wäre“, heißt es aus dem Rathaus. Dieser sei vielmehr ausnahmsweise genehmigt gewesen, um möglichst viele Kontakte zu vermeiden. Dass aber diese Ausnahme bis 30. April 2020 befristet gewesen sei, bestätigt die Stadt.

Da man davon ausgegangen sei, dass die Befristung lediglich aus formalen Gründen geschehen sei, habe der nach der Kommunalwahl neu besetzte Stadtrat Anfang Mai den Pandemie-Rat bestätigt, der im Dezember dann erstmals einberufen worden sei. Eine Rückversicherung bei der Regierung von Oberbayern erfolgte offensichtlich nicht. Die teilt nun mit: „Es liegt primär in der eigenen Verantwortung der Kommunen, die Konstituierung und die Sitzungen ihrer Gremien im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Vorschriften durchzuführen.“ Dass im Winter 2020 in der zweiten Pandemiewelle dasselbe Vorgehen wie im Frühjahr 2020 unzulässig gewesen sei, sei für die Stadtverwaltung nur bedingt nachvollziehbar, werde aber entsprechend zur Kenntnis genommen, meldet die Stadt Rosenheim.

Bleibt die Frage, wie die Regierung überhaupt auf den Fehler aufmerksam wurde. „Auf eine entsprechende Bitte aus der Mitte des Stadtrates hat die Regierung von Oberbayern die Einsetzung des Sonderausschusses rechtsaufsichtlich geprüft“, teilt Pressesprecher Rupp mit. Das entsprechende Ergebnis habe man Oberbürgermeister Andreas März in der vergangenen Woche mitgeteilt.

Am Donnerstag, 18. Februar, um 17 Uhr findet deshalb eine zusätzliche Stadtratssitzung im Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum statt. Die bei der vom „Sonderausschuss Krisenfall“ im Dezember gefassten Beschlüsse stehen dann noch einmal auf der Tagesordnung. hei

Ein Blick in die Nachbargemeinde

Stephanskirchen ist die einzige Nachbargemeinde im Landkreis, die zurzeit ebenfalls auf Sitzungen des gesamten Plenums verzichtet. Einer Empfehlung des Innenministeriums folgend, beschloss der Gemeinderat in seiner Januar-Sitzung, bis 31.März die Kompetenzen der drei beschließenden Ausschüsse zu erweitern. Damit kann zum Beispiel der Bau- und Planungsausschuss Satzungen nicht nur vorberaten, sondern sie auch erlassen. Weitreichende Beschlüsse wie die Verabschiedung des Haushaltes oder den Bauantrag für den Neubau der Otfried-Preußler-Grundschule hat Stephanskirchen bis mindestens April verschoben. syl

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