Immer noch Schmerzen

von Redaktion

Familie Tognolo will gegen Polizeigewalt vorgehen

Rosenheim – Nachdem eine Corona-Mahnwache in der vergangenen Woche am Ichikawa-Platz in Rosenheim eskaliert ist (wir berichteten), beschäftigen die Vorfälle die Teilnehmer noch immer. Jetzt äußert sich Lieselotte Tognolo (69). Jene Frau, die – wie sie selbst sagt – von einem Polizisten so heftig geschubst worden ist, dass sie mit ihrem Kopf gegen eine Hausmauer schlug.

„So etwas habe
ich noch nie erlebt“

Die Kopfschmerzen und Verspannungen spürt Lieselotte Tognolo noch immer. „Ich wohne seit 40 Jahren in Rosenheim. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt sie. Seit Monaten besucht sie die Mahnwachen im Mangfallpark Süd. Sie hört zu, kann sich mit vielen Aussagen identifizieren. Fast immer dabei: ihr Mann Italo (74). In den meisten Fällen sitzt er auf der anderen Straßenseite, beobachtet das Geschehen aus der Ferne. So auch am vergangenen Mittwoch. „Wir wollten gerade gehen, als die Polizei meinen Mann aufgehalten hat“, sagt Lieselotte Tognolo. Beamte hätten ihn gefragt, warum er seine Mund-Nasen-Bedeckung immer wieder herunternehme, hätten ihn aufgefordert, diese aufzusetzen und zurück zur Demonstrationsfläche zu gehen. Weil ihr Mann Italiener sei, sein Hörgerät nicht dabei gehabt habe und die deutsche Sprache nur schwer verstehe, habe sie ihm helfen wollen, schildert Lieselotte Tognolo die Situation. „Ich habe nach seiner Hand gegriffen“, sagt sie. Ein Polizist habe sie daraufhin so hart in Richtung Wand geschubst, dass sie mit ihrem Kopf erst gegen die Hausmauer und anschließend gegen die Bordsteinkante geschlagen sei.

Ein Vorfall, den auch zahlreiche Teilnehmer der Mahnwache beobachtet haben wollen. „Das war kein Versehen“, ist sich Lieselotte Tognolo sicher.

Irgendjemand habe den Rettungsdienst geholt. Sie sei untersucht worden, musste geröntgt werden. Eine Stunde später habe sie das Krankenhaus wieder verlassen können. „Ich kann meinen Kopf auch Tage später noch nicht richtig drehen“, sagt sie.

Das Geschehene begreifen könne sie noch immer nicht. „Ich wollte doch nur meinem Mann helfen“, sagt sie. Auch deshalb, weil der 74-Jährige gesundheitlich angeschlagen ist. Vor 15 Jahren sei bei ihm Zungenkrebs diagnostiziert worden. Nach der erfolgreichen Bestrahlung bekomme er laut seiner Frau nur schwer Luft. „Deshalb hat er seine Maske immer wieder abgenommen“, betont Lieselotte Tognolo. Ein Attest für eine Maskenbefreiung habe ihr Mann nicht, räumt sie ein.

Mittlerweile hat sie sich einen Anwalt genommen. Um den Fall kümmern sich die beiden Rechtsanwälte Elena Mühle-Stein und Oliver Winkler. Mühle-Stein habe Zeugen befragt und eigene Ermittlungen durchgeführt. Jetzt hat sie Anzeige wegen schwerer vorsätzlicher Körperverletzung gegen einen Beamten des Unterstützungskommandos der bayerischen Polizei erstattet.

Schwere Vorwürfe
gegen Beamten

„Die Frau hätte sich auch das Genick brechen können“, sagt Mühle-Stein. Zudem habe sie eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung und Nötigung im Amt erstattet sowie eine Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. „Es geht hier um unverhältnismäßige gewalttätige Eingriffe in die Demonstration“, sagt Mühle-Stein. Sie habe den Eindruck, dass der Einsatz initiiert gewesen sei. Die Polizei teilt auf Anfrage mit, im engen Austausch mit der Stadt Rosenheim zu stehen. Sobald die bei der Verwaltung eingegangenen Schreiben auch dem Polizeipräsidium vorliegen, werde man die „vorgebrachten Beschwerden eingehend prüfen“.

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