„Manchmal kommt der Gedanke, es einfach zu lassen“

von Redaktion

Unternehmerinitiative „Wir stehen zusammen“ traf sich in Oberaudorf und diskutierte die Auswirkungen der Corona-Beschränkungen

Oberaudorf – „Nach der Entschuldigung der Kanzlerin hätte ich mir eine Kehrtwende in der Corona-Politik gewünscht.“ Mit dieser Aussage traf Stefan Scheck, Vorstand der Hospizgruppe Prien, den Nerv der 100 Teilnehmer. Sie waren zu einer außergewöhnlichen Veranstaltung in der Großhalle des Busunternehmers Astl in Oberaudorf zusammengekommen. Eingeladen hatte die Initiative „Wir stehen zusammen“, die sich als Zusammenschluss von über 1100 Unternehmern des Landkreises Miesbach und Rosenheim versteht.  Dennoch: Mehr als 2700 Unternehmer mit mehr als 34 000 Arbeitsplätzen haben den offenen Brief der Initiative unterzeichnet, der sich der Forderung nach mehr wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit befasst. Während bei der ersten Versammlung im Februar noch die drängenden Nöte der mittelständischen Unternehmer und deren Mitarbeiter im Vordergrund standen, betrachtete man bei der Oberaudorfer Veranstaltung die Auswirkungen des Lockdowns für das Sozialgefüge. Scheck klagte, dass es in der Krise das Thema „ehrenamtliche Arbeit“ scheinbar nicht mehr gebe. Im Gegenteil – die ausufernde Bürokratie mit Auflagen zu Hygienekonzepten und Aufklärungspflichten bringe die Sterbebegleitung an die Grenze des Leistbaren. „Manchmal kommt einem der Gedanke, es einfach zu lassen“, resümierte Scheck. Die Geschäftsführerin der ökumenischen Sozialstation Prien, Beate Bolz, berichtete eindringlich von der Vereinsamung der Pflegebedürftigen, verbunden mit Begleiterscheinungen wie Depressionen aufgrund der Kontakt-beschränkungen. „Nun kommt dramatisch zum Tragen, dass wir seit Langem weniger Pflegepersonal pro Patient haben als in den meisten anderen europäischen Ländern.“ Die daraus erwachsende Überlastung der Pflegekräfte durch die Länge der Pandemie führe dazu, dass bisher 9000 Beschäftigte dem Beruf den Rücken gekehrt hätten.
Caro Eckertz,  Servicekraft und alleinerziehende Mutter, schilderte ihre Erfahrungen während der zwölfmonatigen Beschränkungen durch die Pandemie und der zunehmenden Perspektivlosigkeit. Für ihren Schlusssatz erhielt sie aufmunternden Applaus: „Trotz allem müssen wir optimistisch bleiben.“ Moderator Ralf Schmiede betrachtete als Angestellter einer gesetzlichen Krankenkasse die massiven Auswirkungen der abgewürgten Wirtschaft auf die Finanzlage der Versicherer: „In den letzten zwölf Monaten hat sich ein Defizit von rund 6,5 Milliarden Euro angesammelt.“ Viel dramatischer sieht er jedoch die aktuellen Beitragsstundungen über rund 1,5 Milliarden Euro bei Kleinunternehmern, die ihre Abgaben nicht mehr bezahlen können. Gastgeber Paul Astl sah sich bei diesen dramatischen Darstellungen bestätigt in seiner Forderung, die unternehmerischen Leistungsfähigkeit nicht weiter abzuwürgen. „Wir alle sind abhängig von der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und Mitarbeiter“, unterstrich der Oberaudorfer Unternehmer. Die Initiative gibt sich kämpferisch und will kurzfristig über die Möglichkeiten zur Überwindung der ungerechtfertigten Einschränkungen wirtschaftlichen Handelns beraten. roc

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