Drei Minuten musikalische Pause

von Redaktion

Wie die Band Kaffkiez dem musikalischen Stillstand trotzt

Rosenheim – „Es ist extrem frustrierend“, sagt Johannes Gottwald. Der Pianist der Rosenheimer Band Kaffkiez sitzt an seinem Studienort in Innsbruck, er seufzt ins Telefon. Eigentlich hätte er gute Gründe, alles andere als frustriert zu sein. Vor wenigen Tagen knackte ihre Debütsingle „Nie Allein“ eine Million Streams auf Spotify, am Freitag, 9. April, erscheint ihre neue Single „Oh Wien“. Das Problem: „Unsere Musik lebt vom Livecharakter“, sagt Gottwald. Aber live gibt es schon länger nicht mehr. Eine Band im Lockdown.

„Zeitaufwendig
und unromantisch“

„Es ist eher zeitaufwendig und unromantisch“, sagt der Frontsänger Johannes Eisner über die Arbeit, die sie gerade machen. Damit meint er vor allem Management: Promotexte schreiben, Pressebilder machen, Mails verschicken. „Wir machen viel selber.“ Proben sind zurzeit nicht möglich – auch weil die Band über die Grenzen hinweg getrennt ist. Während Gottwald und Eisner in Innsbruck studieren, sind die restlichen Bandmitglieder Benedikt Vodermaier, Florian Weinberger, Niklas Mayer und Janik Schüttler in Rosenheim. „Wir besprechen uns hin und wieder über Zoom, aber das ist anstrengender als persönlich“, sagt Eisner. Allein die Tage im Studio sind mit zusätzlichen Problemen verbunden: Die Band braucht Arbeitsbescheinigungen, jeder muss negativ getestet sein. Eisner und Gottwald treffen sich immerhin zweimal die Woche, um an Songs zu arbeiten.

Seit der Veröffentlichung ihrer Debütsingle „Nie Allein“ geht es für Kaffkiez bergauf. Ein Label nahm die Rosenheimer unter Vertrag, zum Aufnehmen ging es ins Studio nach Berlin. Die neuen Songs kamen deutschlandweit im Radio. Im Juni wollen Kaffkiez ihre erste EP veröffentlichen.

Die neueste Singleauskopplung davon ist „Oh Wien“ – ein Song, der ein „Drei-Minuten-Urlaub“ sein soll. Es geht um die Unterschiede zwischen den Städten Wien und Berlin, eine Metapher auf zwei verschiedene Personen. „Während die eine Person sehr klar strukturiert ist, ist die andere eher planlos und entspannt. Wir fanden das ganz schön, den Vergleich mit zwei Städten zu ziehen“, sagt Gottwald. Entstanden ist der Song schon im Sommer. Gottwald und Eisner haben „einfach rumprobiert“.

„Inzwischen ist es einer unserer Lieblingssongs“, sagt Eisner. Und trotzdem wird auch „Oh Wien“ erstmal nur digital zu hören sein. Aber auch das Feedback der Fans kommt nur aus dem Computer. „Wir sehen den ganzen Tag Zahlen. Die Frage ist da auch: Wie viele davon würden zum Konzert kommen?“, sagt Eisner. „Aber gerade besondere Zahlen sind uns schon wichtig: Zum Beispiel die eine Million Streams von ,Nie Allein‘, einen Tag nach unserem Bandjubiläum. Das hätte sich da noch niemand zu träumen erlaubt.“ Was ihnen fehlt, ist vor Menschen zu spielen.

Für viele Musiker und Bands ist die Pandemie eine Katastrophe. Mit den Konzerten fallen auch die Einnahmen weg. Kaffkiez kommt in der Krise glimpflich davon. „Wir sind keine Berufsmusiker“, sagt Gottwald. Die Bandmitglieder studieren nebenbei oder arbeiten. Trotzdem bekämen sie es von anderen Bands mit, wie sehr diese unter der aktuellen Situation leiden. „Wir sind sehr dankbar, dass unsere Existenz nicht von Corona bedroht ist“, sagt Eisner.

Alltag im Berliner Studio gefilmt

Trotzdem wollen Kaffkiez ihren Erfolg zusammen mit den Fans erleben. Ein Beispiel dafür ist das Musikvideo zu „Oh Wien“. Da ein aufwendiger Dreh unter Auflagen nicht zu machen war, hat die Band einfach ihren Alltag im Studio und in Berlin gefilmt. „Wir wollen die Leute an dem Ganzen teilhaben lassen, indem wir ihnen einen persönlichen Eindruck von uns geben“, sagt Eisner. „Ich glaube, das ist total wichtig, dass wir irgendwie greifbar sind.“ Immer wieder streamen sie auch kleine Akustiksets live über Instagram. „Zurzeit ist es für viele schwierig. Unsere Songs sollen einfach mal drei Minuten Pause sein.“ Kilian Schroeder

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