In der Umsetzung eher utopisch

von Redaktion

Mehr Unterricht unter freiem Himmel – Verantwortliche sehen Vorschlag skeptisch

Rosenheim – Im Blick auf die neuerlichen Schulschließungen wegen steigender Inzidenz- und Infektionszahlen haben sich Landespolitiker aus allen Fraktionen für vermehrten Unterricht im Freien ausgesprochen. Damit stoßen die Abgeordneten bei den hiesigen Verantwortlichen für die Schulen durchaus auf offene Ohren. Wenngleich deutlich wird: So schön sich das Konzept anhört, so schwierig ist es umzusetzen.

Kein passendes
Gerät vorhanden

„Vom Infektionsschutz her gesehen ist Unterricht im Freien immer besser als in Räumen. Da brauchen wir gar nicht drüber reden“, findet der Leiter des Rosenheimer Schulamts Edgar Müller. Wenn es organisatorisch machbar sei, stünden Unterrichtsstunden unter freiem Himmel nichts entgegen. Doch gerade hier sieht Müller bei vielen Fächern durchaus Probleme: Es braucht nicht nur eine Möglichkeit, die Unterrichtsthemen zu präsentieren – sprich eine Tafel oder ein Flipchart. Ebenso müssten die Schüler Gelegenheit haben, das Unterrichtsgeschehen auch in ihren Heften niederzuschreiben.

Vorstellen kann sich Müller, das beispielsweise einzelne Klassen den Kunstunterricht nach draußen verlegen. Aber: Mehrere Klassen gleichzeitig für die gesamte Fächerpalette nach draußen zu verlegen, hält er für organisatorisch und pädagogisch „schwer vorstellbar“. Zumal Fächer wie Kochen ohnehin ausscheiden, weil schlichtweg das notwendige Gerät fehlt.

Ähnlich sieht das der Leiter des Rosenheimer Ignaz-Günther-Gymnasiums (IGG), Dieter Friedel. „Wenn mehrere Kurse auf diese Idee kommen, stoßen wir schnell an unsere Grenzen“, sagt Friedel und bezieht sich damit zum einen auf die Platzkapazitäten des Gymnasiums unter freiem Himmel. Die rechtlich gebotenen Abstände müssten schließlich auch draußen gewahrt werden.

Ebenso müsse die jeweilige Lehrkraft den Unterricht im Freien auch „stimmlich draufhaben.“ Sprich: Die Lautstärke muss passen, damit alle Schüler etwas mitbekommen. Schlussendlich fehlt es auch beim IGG am Gerät, um den Wunsch der Politiker umsetzen zu können. Tafeln gibt es nur in den Klassenräumen, mobile Lösungen für draußen nicht. Anders gesagt: Der Vorschlag aus den Reihen der Landtagsfraktionen sei utopisch, da gehe gar nichts, findet Friedel. „Ich find’s ne tolle Idee“, kommentiert der Leiter der Johann-Rieder-Realschule, Wolfgang Forstner, die Idee aus den Reihen der Landtagsfraktionen. Doch auch er sieht das Hauptproblem in der Frage: Wie sollen die Schulen diese Geschichte umsetzen?

Digital auch von Parkbank aus

Selbst wenn man in einer Rosenheimer Parkanlage Platz fände: In dieser seien noch andere Personen unterwegs. Kein gutes Umfeld, um ungestört Unterricht abhalten zu können. Zumal: Wie sollen dort Leistungskontrollen stattfinden? Technisch, findet Forstner, sei der Unterricht im Freien prinzipiell machbar. Woran es hakt: die flächendeckende Ausstattung von Lehrern und Schülern mit entsprechenden Endgeräten, vornehmlich Tablets. Schon die Schere unter seinen Kollegen gehe auseinander: vom Lehrer, der ausschließlich am stationären PC arbeite, bis zum Technikaffinen, der sich ganz selbstverständlich mit unterschiedlichen Digitallösungen für seinen Unterricht auseinandersetzt. „Wenn ich als Lehrer meinen Unterricht komplett digital fahre, kann ich das auch von der Parkbank aus“, meint der Schulleiter. Doch auch bei den Schülern bestehe in Sachen Digitalausstattung ein Gefälle. Nicht jeder Haushalt könne sich die Geräte leisten. Zumindest die Stadt Rosenheim signalisiert ihre Bereitschaft, die Schulen in dieser Sache zu unterstützen: „Wenn sich Rosenheimer Schulen entscheiden Unterricht ins Freie zu verlegen, will die Stadt ihrer Sachaufwandsträgerschaft weiterhin nachkommen – im Rahmen ihrer Möglichkeiten“, heißt es aus dem Rathaus. Wer im Bild noch fehlt, sind die hiesigen Grundschulen. Auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen sahen sich die Schulleiter dort entweder nicht in der Lage, sich zu diesem Thema zu äußern, oder hatten schlichtweg kein Interesse, sich zu Wort zu melden.

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