Rosenheim – Einer ihrer letzten Wünsche an ihren Mann war: Er solle ja darauf achten, dass in ihrer Todesanzeige kein Rechtschreib- fehler sei. Das war Elvira Biebel-Neu: konsequent, genau, mit hohem Anspruch, vor allem an sich selbst. Vergangene Woche ist die Journalistin im Alter von 72 Jahren gestorben. Mehr als 42 Jahre lang schrieb sie für die Stadtredaktion des Oberbayerischen Volksblatts.
Geboren wurde Elvira Biebel-Neu im tiefsten Ruhrpott, in Gelsenkirchen-Buer. Später zog die Familie ins Schwäbische. Dort machte sie eine Ausbildung zur Verlagskauffrau und schloss ein Volontariat an. Als frischgebackene Redakteurin begann sie im März 1972 beim Oberbayerischen Volksblatt.
Elvira Biebel-Neu hat Rosenheim über vier Jahrzehnte hinweg begleitet als Chronistin und manchmal Kritikerin. Zu dieser Stadt, ihren Menschen und deren Geschichten entwickelte sie ein ganz besonderes Verhältnis, geprägt von Sympathie, scharfem Blick und nie erlahmender Neugier. Ihr immenses Wissen um die Stadtpolitik war im Rathaus berüchtigt, ebenso ihr Wiedervorlagesystem, das sicherstellte, dass ihr kein Thema entging.
Mit ihrer Arbeit hat sie Rosenheim geprägt: Sie ließ die Leser über die Fassadengestaltung des Senft-Hauses abstimmen – und dieses Votum wurde umgesetzt. Sie hat mit großer Energie die Landesgartenschau publizistisch begleitet. Und sie war es, die den damaligen Oberbürgermeister auf die Idee brachte, man könnte die neue Fußgängerzone im Winter mit einem Christkindlmarkt beleben.
Elvira Biebel-Neu war eine äußerst sorgfältige Journalistin, sachliche Ungenauigkeiten und sprachliche Schludereien waren ihr ein Gräuel. Wenn sie von etwas überzeugt war, scheute sie keine Diskussion – weder mit Politik und Verwaltung, noch mit Kollegen und Vorgesetzten. Sie war kritisch, hartnäckig und manchmal unbequem – also genau die Persönlichkeit, die man braucht, um eine gute Zeitung zu machen.
So war es nicht verwunderlich, dass die Redaktionsleitung ihr über Jahrzehnte hinweg den journalistischen Nachwuchs anvertraute. Sie war eine strenge Ausbilderin, vermittelte den Volontären das, worauf es in diesem Beruf ankommt: genau hinzuschauen, zu hinterfragen und offen zu sein für Menschen. Denn auch das war Elvira Biebel-Neu: Hinter ihrer recht direkten Art verbarg sich ein Mensch mit großer sozialer Empathie.
Sie hat das Oberbayerische Volksblatt in vielerlei Weise bereichert. Das Wiesn-Foto-Suchspiel, viele Serien wie „Eine Stadt und ihre Häuser“, „Rosenheimer Kirchen“ oder die monatliche Sonderseite „Stand der Dinge“ waren ihre Ideen. Für die von ihr entwickelte Rubrik „Was mich freut, was mich ärgert“ erhielten die OVB-Heimatzeitungen 2009 den Leserblattbindungspreis des Verbands der deutschen Lokalzeitungen. Und nicht zuletzt ging auf ihre Anregung die Aktion „Weihnachtslieder selber singen“ zurück. Seit 1987 war sie auch stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.
Privat verband sie ihre Leidenschaft fürs Fahrradfahren mit ihrer Reiselust und unternahm mit ihrem Mann ausgedehnte Radreisen, die sie in die ganze Welt führten. Einer ihrer Sehnsuchtsorte war Kuba. Ehrenamtlich engagierte sie sich für Amnesty International. Ende 2014 ging sie in den Ruhestand. Kurz darauf brach bei ihr eine seltene schwere Krankheit aus. Am Ende ist sie friedlich eingeschlafen, zu Hause in Rosenheim.
Diesen Beitrag haben drei Kollegen gegengelesen. Das war eine Sache des Respekts: Einen Schreibfehler hätte Elvira Biebel-Neu übel genommen.Klaus Kuhn