Rosenheim – Städte erkunden, ohne Reiseführer, spontan und einfach mit dem Handy. Konrad Weinstock hat mit „sQRibe“ eine App entwickelt, die das ermöglicht. Er wollte etwas Neues schaffen, anders als die üblichen Reiseführer. Während diese oft „statische Texte“ enthielten, sei seine App neben historischen Fakten voller Anekdoten und Geschichten. „Das macht es lebendiger“, sagt der Erfinder.
Ein engagierter Experte
Die Idee habe Weinstock schon länger gehabt, in Zusammenarbeit mit der Stadt Ulm entstand die erste Version. „Er hat viel Engagement in die App gesteckt“, sagt Wolfgang Dieterich, Geschäftsführer der Ulm und Neu-Ulm Touristik GmbH. Die Münsterstadt beauftragte den Reiseführer-Experten und befestigte in der Stadt sogar QR-Codes. Das bedeutet Quick Response, also schnelle Antwort. Diese können Touristen mit ihren Smartphones scannen und gelangen so zum Programm.
Deshalb ist in dem Namen der Applikation das QR enthalten. Das Kunstwort „sQRibe“ geht auf das englische „scribe“ zurück und bedeutet Schreiber oder Schriftgelehrter. „Um im App-Store unverwechselbar zu sein, brauchten wir einen ausgefallenen Namen“, sagt der 70-Jährige.
Kreativ ist der Pensionär nicht nur in der Namensgebung. Die Texte hat er selbst geschrieben, auch die meisten Bilder aufgenommen. Für die Recherche zu Rosenheim habe er ein „ganz hervorragendes Buch“ des Historischen Vereins genutzt, das Geschichte und Kultur der Stadt behandelt. „Das ist natürlich eine einmalige Quelle“, sagt Weinstock. Vier Jahre habe es gedauert, das Material über die Städte zusammenzutragen, die Texte einsprechen zu lassen und die kurzen Filme zu schneiden. Das Ergebnis: 70 Stunden Filmmaterial.
Doch die Technik begeistert nicht alle. „Eine App kann keinen Stadtführer ersetzen“, sagt Stefan Kürschner, Vorsitzender der Rosenheimer Stadtführerzunft. Echte Führungen seien lustig, spannend und informativ, bei einer App gehe das Persönliche verloren. Dennoch sei Kürschner Realist und wisse, dass sich die Technik nicht verhindern lasse: „Das ist die neue Generation.“
Derzeit ist das Programm noch kostenlos, ab August soll eine Stadtführung 2,99 Euro kosten. 47 Städte stehen zur Auswahl, und es kommen stetig neue dazu: Hannover, Braunschweig, Lüneburg und Bremen stehen auf Weinstocks Liste. Damit Käufer die App erst einmal ausprobieren und kennenlernen können, bleibt der Download selbst kostenfrei. „Ich kaufe auch nicht die Katze im Sack“, sagt Weinstock.
Um die Applikation flächendeckend auszubreiten, führte er zusätzlich Gespräche mit den Städten. Auch bei der Tourist Information Rosenheim hat Konrad Weinstock sein Programm vorgestellt. Zu einer Zusammenarbeit ist es nicht gekommen. Die Stadt bietet bereits selbst eine App zur Erkundung und eine digitale Schnitzeljagd durch die Innenstadt.
Die Verhandlungen mit den Städten dauerten teilweise über ein Jahr. „Der Entscheidungsprozess ist oft unglaublich langatmig“, sagt Weinstock. Darum entschied er sich, „ins Risiko zu gehen“ und finanzierte die Programmierung der App selbst. Einen Betrag im mittleren fünfstelligen Bereich habe er bezahlt. Damit sei er „noch ganz günstig weggekommen“.
Bei der Programmierung ließ er sich von einem Experten helfen. „Da muss man wirklich ein Crack sein“, sagt der 70-Jährige. Auch wenn er selbst kein Experte sei, so ist Weinstock durchaus technikaffin. „Das hält munter.“ Er hat Zugang zu der Datenbank, auf der das Programm basiert, und kann die Inhalte direkt ändern. Dazu brauche er keinen Programmierer.
Die Entwickler- Konkurrenz ist groß
„Die App kommt gut an, wird bisher aber noch zu wenig genutzt“, sagt Tourismus-Geschäftsführer Wolfgang Dieterich. Rund 7000-mal wurde sie heruntergeladen. Mittlerweile sei die Konkurrenz groß, es gebe sogar Applikationen mit „Augmented Reality“. Dabei werden Texte, Bilder, Videos oder Animationen in die reale Umgebung projiziert. Dennoch meint Dieterich: „Weinstock war einer der Pioniere auf diesem Gebiet.“