„Ich habe den schönsten Beruf“

von Redaktion

Interview Ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister über den Weg aus der Krise

Rosenheim – 400 Tage, 129 Sitzungen und fünf unterschriebene Bebauungspläne: Seit gut einem Jahr ist Andreas März der Mann an der Spitze Rosenheims. Ein Jahr, das schnell dominiert wurde durch die Pandemie. Unterkriegen lassen hat er sich trotzdem nicht. Ein Gespräch über Macht, Korruptionsfälle in der CSU und wie es nach der Krise weitergehen soll.

Was macht Macht mit Ihnen, Herr März?

Ich glaube, dass ich nach wie vor fest auf dem Boden stehe und mich als Mensch nicht verändert habe. Es ist mir gelungen, mein Verständnis von diesem Amt einzubringen und mich nicht vom Amt prägen zu lassen. Nach wie vor gehe ich mit sehr viel Respekt an diese Aufgabe heran.

Wie ist es Ihnen in den vergangenen Monaten ergangen?

Ich sage immer, dass ich zwei Hüte aufhabe. Für die Bürger bin ich der Oberbürgermeister und für meine Mitarbeiter bin ich Chef der Verwaltung. Im ersten Jahr war ich coronabedingt zu 90 Prozent Chef der Verwaltung und zu zehn Prozent Oberbürgermeister. Einfach, weil es so gut wie keine Außentermine gegeben hat. Aber ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass ich den schönsten Beruf Rosenheims habe.

Trotz der momentanen Situation, in der man es eigentlich niemanden recht machen kann?

Ich glaube, es hilft, wenn man das Gespräch mit den Menschen sucht und zuhört. Es ist wichtig, dass das gegenseitige Verständnis da ist, warum man welche Position vertritt. Ich musste beispielsweise auf den Mahnwachen und Demos immer wieder erklären, dass es nicht meine Entscheidung ist, die Corona-Beschränkungen in der Stadt anzuordnen.

Und trotzdem sind Sie derjenige, der für die Stadt am Ende den Kopf hinhalten muss.

Meinen Kollegen aus anderen Städten geht es da ja ähnlich. Sie stehen vor den gleichen Problemen, dass die Menschen vieles nicht verstehen. Wir haben deshalb auch immer wieder das Gespräch mit der Staatsregierung gesucht. Aber da hat es leider wenig Bereitschaft gegeben, auf individuelle Probleme einzelner Städte einzugehen.

Würden Sie sagen, dass die Regierung versagt hat?

Wenn jemand versagt hat, dann allenfalls die Bundespolitik in der Vorbereitung auf eine Pandemie und was die Beschaffung von Impfstoff betrifft. Wobei man da auch sagen muss, dass es sensationell ist, dass in dieser kurzen Zeit überhaupt mehrere Impfstoffe entwickelt wurden. Bei aller Kritik an den Beschränkungen, der Impfstoffbeschaffung und der Impfstoffknappheit müssen wir uns vor Augen führen, was die Alternative wäre, wenn es keinen Impfstoff gäbe.

Rosenheim wurde zu Beginn der Pandemie immer wieder als Corona-Hotspot bezeichnet. Hat die Stadt dadurch einen Imageschaden erlitten?

Zur Halbzeit der Pandemie schien es tatsächlich so, dass die Menschen den Eindruck gehabt haben, dass es in Rosenheim besonders gefährlich ist. Das nehme ich jetzt aber gar nicht mehr wahr. Im Gegenteil. Das Leben ist in die Stadt zurückgekehrt. Auch dank Aktionen wie „Rosenheim blüht auf“ und „Sommer in Rosenheim“. Ich glaube, dass wir da hervorragend gegengesteuert haben. Und dass dieser Imageschaden, der damals vielleicht da war, sicherlich kein bleibender ist.

Bleibend sind allerdings die Leerstände an prominenter Stelle, auch pandemiebedingt. Was wollen Sie hier unternehmen?

Wir denken darüber nach, welche städtischen Einrichtungen vielleicht in die ein oder andere Einzelhandelsfläche einziehen könnten. Es gibt mittlerweile aber erfreulicherweise auch wieder zahlreiche Nachnutzungen, die vielleicht nichts mit dem zu tun haben, was vorher drin war. Entscheidend ist: Die Eigentümer haben es in der Hand, wie es mit ihrer Immobilie weitergeht. In Rosenheim agieren sie glücklicherweise ganz überwiegend sehr verantwortungsbewusst.

Bleiben wir beim Stadtbild. Wie ist die Situation auf dem Rosenheimer Wohnungsmarkt?

Was wir brauchen, sind größere Wohnungen in der Stadt. Auch, weil es Familien mit Kindern gibt, die gerne in der Stadt wohnen wollen und sich das auch leisten können. In der Vergangenheit wurde an dieser Zielgruppe vorbeigebaut. Ich denke, dass wir mit unserer städtischen Wohnungsbaugesellschaft die Voraussetzungen schaffen müssen, Wohneinheiten anzubieten, die für Familien geeignet sind. Wir müssen also über eine Nachverdichtung nachdenken. Aber eben nicht um jeden Preis. Auch eine Stadt, in der viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, braucht Freiräume, Parkanlagen und durchgehende Grünzüge, welche die Stadt lebenswert machen. Wir müssen einfach schauen, dass zwischen den Häusern auch Platz für die Menschen bleibt. Damit eben auch die Integration gelingt.

Wie läuft es denn mit besagter Integration? Beispielsweise von der Endorfer Au?

Die Endorfer Au stellt uns natürlich vor Herausforderungen. Sie hat einfach ein schlechtes Image. Zu Unrecht muss ich sagen. Wir denken mit unserer städtischen Wohnungsbaugesellschaft darüber nach, wie wir dort einen Imagewandel schaffen können. Es ist sicher nicht damit getan, dass man einfach die alten Häuser abreißt und neu baut. Die Integration der Stadtgesellschaft funktioniert nur im öffentlichen Raum. Es muss uns also beispielsweise durch Aktionen wie „Rosenheim blüht auf“ gelingen, dass sich die Menschen im öffentlichen Raum gerne aufhalten.

Im vergangenen Jahr hat nicht nur die Pandemie für Schlagzeilen gesorgt. Auch Ihre Partei ist in den Medien immer wieder in die Kritik geraten. Erst durch die Masken-Affäre und kürzlich durch den Landtagsabgeordneten Klaus Stöttner. Hat die CSU dadurch Schaden genommen?

Ich glaube schon, dass etwas hängen bleibt. Die Außenwirkung dieser Vorfälle ist natürlich nicht ganz vorteilhaft. Aber man muss an dieser Stelle auch noch einmal sagen, dass Klaus Stöttner keine Gesetzesverstöße begangen hat. Ich halte es nicht für unmoralisch, dass ein Unternehmer, der in einem Aufsichtsrat oder einem ähnlichen Gremium sitzt, Geschäfte mit der Stadt oder einer Tochtergesellschaft machen darf. Es war wahrscheinlich ein Fehler, dass Romed und Klaus Stöttner sich nicht von vornherein darauf verständigt haben, alle Vertragsinhalte offenzulegen. Hinterher ist man aber immer schlauer.

Werfen wir abschließend noch einen Blick in die Zukunft. Welche Vision haben Sie für Rosenheim in zehn Jahren?

Ich stelle mir vor, dass wir in zehn Jahren eine Stadt haben, in der sich die Menschen lieber im öffentlichen Raum aufhalten, als sich zu Hause einzusperren. Ich stelle mir vor, dass wir mehr Platz auf unseren öffentlichen Straßen geschaffen haben, weil der Radverkehrsanteil so deutlich zugenommen hat, das es richtig Spaß macht, durch die Stadt zu radeln. Dann stelle ich mir vor, dass wir mit die modernste Bildungsregion Deutschlands sind und eine der besten medizinisch versorgten Regionen. Ich stelle mir vor, dass Menschen aus Deutschland nach Rosenheim kommen, um zu sehen, wie wir das gemacht haben.Interview: Anna Heise

und Jens Kirschner

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