„So ausgehungert nach Kultur wie wir“

von Redaktion

Interview Schauspieler des Jungen Theaters Rosenheim zur Premiere von „Kohlhaas“

Rosenheim – Am heutigen Freitag feiert das Junge Theater Rosenheim mit seiner Inszenierung von „Kohlhaas“ nach Heinrich von Kleist Premiere (Beginn um 19.30 Uhr auf der Bühne im Künstlerhof). Zwei Mann stehen auf der Bühne, neben Andreas Schwankl auch Benedikt Zimmermann. Im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen schildern beide, welche Hoffnungen sie hegen, nachdem die Kultur so lange brach lag, und wie die Proben während der Pandemie-Hochzeiten liefen.

Mit welcher Hoffnung gehen Sie nach der langen Zeit der Bühnenabstinenz an die Premiere?

BenediktZimmermann: Mit der Hoffnung, dass die Leute so ausgehungert nach Kultur sind wie wir. Ich spiele schon seit drei Wochen wieder im Metropoltheater in München und erlebe, dass die Leute sich unglaublich freuen, wieder ins Theater zu kommen!

Andreas Schwankl: Es wird Zeit dass, wir endlich in Kontakt mit unserem Publikum kommen. Zwischen unserer Gründung 2019 und heute liegt über ein Jahr Stillstand, während dem wir nur hinter den Kulissen werkeln konnten.

Sie hatten eine Crowdfunding-Aktion für das Projekt gestartet. 2000 Euro versprechen Sie sich, bislang sind erst 630 Euro zusammengekommen. Auch wenn die Aktion noch 53 Tage läuft: Sind Sie enttäuscht?

Zimmermann: Nein gar nicht. Gerade planen wir akribisch die Premiere für Kohlhaas, und dann werden wir die Crowdfunding-Aktion noch einmal anschieben.

Schwankl: Wenn die Leute erleben, was wir machen, haben sie hinterher vielleicht auch einen Grund, uns zu unterstützen. Und eventuell liest es ja hier jemand und findet unser Projekt bei „helfen.bayern“. Damit wäre uns riesig geholfen!

Wie gestalteten sich für Sie die Proben unter Corona-Bedingungen?

Zimmermann: Es ist ein wenig befremdlich den Abstand einzuhalten, da Kommunikation nicht immer mit 1,50 Metern Abstand verläuft. Gerade, wenn es emotionaler wird, wird der Abstand kleiner. Das gilt nicht nur für die Liebe, sondern auch für aggressive Auseinandersetzungen, wie sie im Kohlhaas ja unter der Decke brodeln.

Schwankl: Unter der Decke? Also, so nah kommen wir uns ja nicht (lacht). Mit den Schnelltests wurde der künstlerische Spielraum glücklicherweise etwas größer, weil man mit diesen den Kollegen auch mal nähern durfte.

Sie wollen Kleists Novelle eher minimalistisch inszenieren, als Stück, das sich „voll auf das Spiel konzentriert“. Was bedeutet das konkret?

Zimmermann: Im besten Fall eine Art „Schauspielertheater“. Der Fokus soll ganz auf den Figuren liegen, ohne große Ablenkung. Damit man die zahlreichen Wendungen versteht und nachvollziehen kann.

Schwankl: Wir verzichten auf Hilfsmittel wie Kostüm und Kulisse. Auch die Figuren kommen ohne äußere Schnörkel aus. Nur die innere Handlung und der Grundkonflikt treibt sie an.

Im Stück geht es um den Rachefeldzug eine Pferdehändlers, nachdem dieser sich nicht juristisch gegen einen Junker durchsetzen konnte, der ihm willkürlich zwei seiner Tiere als Pfand entzog. Es geht also um die Frage nach Gerechtigkeit. Fiel deshalb die Wahl auf Kleists Novelle?

Zimmerman: Das Thema hat uns immer wieder begleitet und ist medial auch sehr präsent. In der Zeit, als wir das Stück auswählten, gingen die Menschen in den USA gerade wegen des ungerechten und schrecklichen Mordes an George Floyd auf die Straße. Es entfaltete sich dort stellenweise eine Art Selbstjustiz im Sinne des Kohlhaas.

Schwankl: Die Gewalt zwischen den Lagern eskalierte.

Zum Glück gab es während der Corona-Krise in Deutschland keine größeren Ausschreitungen wie in anderen Ländern. Der Kohlhaas zeigt genau diese Dynamiken und Prozesse auf, wie Konflikte ins Extreme abrutschen. Kleist hat das in seiner Novelle thematisiert.

Nach Ihrer Eigenbeschreibung suchen Sie mit der Inszenierung von „Kohlhaas“ den Austausch über Themen wie Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Teilhabe. Wie soll dieser Austausch stattfinden?

Schwankl: Auch bei unserem Stück „Huck Finn“, das wir unter anderem in Klassenzimmern spielen, gibt es ein Nachgespräch. Durch die Emotionen, die wir während der Aufführung mit dem Publikum teilen, können wir im Anschluss viel tiefer in die Themen der Stücke einsteigen.

Zimmerman: Wir freuen uns immer über lebendige Diskussionen, und ich erlebe das Theater oft als Raum dafür, diese Diskussionen zu führen oder sich über das Gesehene auszutauschen. Hoffentlich wird das dann bald auch wieder ohne Masken möglich sein!

Ihr Wunsch für den Moment, in dem sich zum ersten Mal seit so langer Zeit der Vorhang wieder hebt und Sie vor Publikum stehen?

Zimmermann: Vor allem, die Leute zu begeistern und sie mitzunehmen. Theater ist ein unglaublich wichtiges Medium, ganz anders als beim Film, vollzieht sich die Kunst im Moment. Die Zuschauer sind Teil davon und spüren das auch. Es entfaltet sich oft ein Gefühl im Raum, das alle spüren können, und das die Schauspieler mit dem Publikum verbindet und etwas ganz Einmaliges kreiert.

Interview: Jens Kirschner

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