Halleluja! Gesang ist wieder erlaubt

von Redaktion

In die Rosenheimer Kirchen kehrt ein weiteres Stück Normalität zurück

Rosenheim – Das Gesangsverbot in den Kirchen ist aufgehoben. Über ein halbes Jahr mussten Besucher schweigen, nur kleine Chorgruppen durften den Gottesdienst stimmlich begleiten. Nun darf die ganze Gemeinde wieder singen. Pfarrerin Rosemarie Rother, Kantor Johannes Eppelein und Pfarrer Andreas Zach haben die Gesangbücher wieder hervorgeholt. „Halleluja!“

„Es war eine Befreiung wieder singen zu können“, sagt Andreas Zach, Pfarrer der Stadtteilkirche Rosenheim-Inn. Die Besucher seien sofort dabei gewesen – von null auf hundert und mit einem Strahlen in den Augen. Der Gesang gebe den Menschen eine gemeinsame Identität. „Das ist die Macht der Musik“, meint Zach. Über die Belebung des Gottesdienstes freue er sich deshalb sehr. Die Sehnsucht sei immer größer geworden.

Die Musik berühre
Seele und Herz anders

Das bestätigt Rosemarie Rother, Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche. Sie und ihre Gemeinde hätten das Singen sehr vermisst. Der Gesang sei ein wichtiger Teil des Gottesdienstes. Er lebe von den Liedern. „Ich glaube, dass Musik unsere Seele und unser Herz anders berührt, als es Worte alleine können“, sagt Rother.

An Weihnachten und Ostern habe sie gemerkt, wie viel der Gesang ausmache. Sie sei deshalb dankbar gewesen, dass wenigstens Gruppen von vier bis sechs Chormitgliedern in der Erlöser- und Apostelkirche singen konnten. Innerlich habe es die Pfarrerin aber gestört, dass sie nicht einstimmen durfte: „Ich singe einfach von Herzen gerne.“

Auch der Kantor der evangelisch-lutherischen Kirche ist ein begeisterter Sänger. Die Zwangspause fiel Johannes Eppelein besonders schwer. „Für mich war das die Höchststrafe“, meint er. Es sei beinahe unheimlich gewesen, als nur kleine Gruppen auf der Empore singen durften. Der Gottesdienst als reiner Frontalvortrag – ein „erschütterndes Bild“ für Eppelein.

Den Kantor habe es gestört, dass niemand vonseiten der Kirche aufgestanden sei, um den „schmerzlichen Verlust“ deutlich zu machen. Denn der Gesang sei zentral für Gottesdienst und Gemeinschaft. Die Vereinsamung durch die Pandemie sei der erste „harte Schlag“ gewesen, das Singverbot der zweite. Der ein oder andere Besucher habe das zugegeben. Einige hätten unter der Maske auch leise zum Gesang der kleinen Ensembles mitgesummt.

Der schwierigen Phase kann der Kantor aber auch etwas Positives abgewinnen: „Es war schön, die Lieder ganz bewusst zu hören.“ Wenn er nicht selbst singe, könne er sich ganz auf sein Gehör einlassen. Zudem hätten viele Besucher wertgeschätzt, was sie musikalisch auf die Beine gestellt hätten, mit der Orgel und nur wenigen Chormitgliedern. Diese hätten in der stillen Zeit sehr gelitten.

„Der Chor fiel in ein Loch“, sagt Eppelein. Fünf Gruppen leitet der Kantor, mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Posaunenspielern. Zwar organisierte er Online-Angebote, erreicht habe er damit aber nicht alle. Bei der ersten Probe seien auch nur gut die Hälfte der Mitglieder des Erwachsenenchors dabei gewesen. Er glaubt jedoch, dass dies nur eine anfängliche Zurückhaltung sei. Dass der Chor nicht gemeinsam proben durfte, schmerzte auch Pfarrer Zach: „Das tat nicht nur musikalisch, sondern auch sozial weh.“ Obwohl der Chor nun wieder proben dürfe, werde es dauern, bis die Gruppe das vorherige Niveau wieder erreiche.

Kantor Eppelein bestätigt das. Der Kehlkopf und die zugehörigen Muskelstränge würden auf eine hochkomplexe Weise funktionieren. „Das ist eine Frage der Übung, wie einen Bizeps zu trainieren“, sagt der Chorleiter. Anstatt der Muskelmasse im Oberarm, verbessere sich durch das Training der Stimme deren Koordination – also Höhe, Tiefe und Leichtigkeit.

Der Mundschutz
behindert die Atmung

Wenn die Gemeinde mit Maske singt, brauche sie mehr Pausen, meint Kantor Eppelein. Denn die Atmung funktioniere reflektorisch, in kurzer Zeit nehme ein Sänger viel Luft auf. Mit Mundschutz sei dies nicht gut möglich. „Es ist definitiv anstrengender mit Maske zu singen“, sagt auch Pfarrerin Rother. Trotzdem halte sie die Schutzmaßnahme weiterhin für sinnvoll – denn die Pandemie sei noch nicht überstanden. Abgeschafft werden sollte der Mundschutz deshalb nicht: „Wir halten das aus.“

Genauso wie die Zeit ohne Gesang. Um eine aktive Teilnahme am Gottesdienst zu ermöglichen, gaben die Kirchen Liedblätter oder Gesangbücher zum Mitlesen aus und wurden kreativ. Im Wechsel sangen die kleinen Chorensembles eine Liedstrophe, die Besucher lasen die nächste, so Pfarrer Zach. Dennoch ist er froh, dass nun alle wieder mitsingen können: „Des bringt de Leid besser zsam.“

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