Kolbermoor – In vielen Tierheimen wurden nach den Lockerungen der Corona-Maßnahmen vermehrt Katzen, Hunde oder Kaninchen abgegeben. Der Mangfall-Bote hat beim Tierschutzverein in Kolbermoor nachgefragt, wie die Lage aktuell ist. Die Antworten überraschen und die Tierheim-Mitarbeiter sind sich uneinig.
„Wir sehen die Entwicklung momentan noch nicht“, sagt Vereinsvorsitzende Andrea Thomas. Möglicherweise gebe es mehr Vermittlungen über die Tierheim-Website, genau wisse sie das jedoch nicht. Sie hat eine andere Theorie. Die Nachfrage nach Welpen und kleinen Tieren und Hunden sei während der Corona-Pandemie rasant angestiegen.
Thomas glaubt, dass diese nicht so schnell abgegeben werden wie große Hunde. Denn die kleineren Vierbeiner könnten die Besitzer auch mal ins Büro und im Auto mitnehmen. Deshalb vermutet sie, dass sich die Entwicklung verzögern wird und die „Corona-Tiere“ erst später im Tierheim ankommen. „Momentan ist das noch schwer abzuschätzen“, sagt die Vorsitzende.
Hoffen auf den Mehrwert für Besitzer
Das bestätigt Betriebsleiterin Kerstin Eckl. Dass es zu einer Flut an Tieren kommt, glaubt sie jedoch nicht. Denn während der Pandemie seien einige Vierbeiner adoptiert worden. „Ich hoffe, dass die Menschen den Mehrwert der Tiere erkennen, nicht nur während des Lockdowns“, sagt Eckl. Meistens würden die Familien eine Bindung zu ihren Vierbeinern aufbauen. Meistens kommen die Tiere dann nicht wieder zurück. Einzelfälle gebe es jedoch immer.
Anders, als Eckl und Thomas, erwartet Gesamtprojektleiter Hartmut Uttscheid im Herbst hin einen großen Schwung an Tieren. „Ich finde ein solches verantwortungsloses Verhalten traurig“, sagt Uttscheid. Nach ihrer Vergangenheit hätten es die Heimtiere verdient, sorgenfrei und in einem schönen Zuhause weiterzuleben. Das Tierheim sei schließlich nur ein „Interimszuhause“, also eine Übergangslösung.
Deshalb appelliert er an potenzielle Tierbesitzer, dass sie sich vorher ganz genau überlegen sollen, ob sie das wirklich wollen. Und zwar in allen Bereichen – sei es für die Arbeit, Urlaub, Freizeit und Zuhause. Das habe für ihn etwas mit Verantwortung zu tun. „Ein Tier hat Gefühle wie Sie und ich“, sagt Uttscheid.
Thomas sieht es ähnlich. Jeder solle eine Adoption oder einen Tierkauf genau durchdenken. „Das kann man nicht von einer Phase abhängig machen“, sagt die Vorsitzende. Wenn sich Bürger nur wegen der Pandemie ein Tier angeschafft haben, werde das nicht gut ausgehen. Denn die Lebensumstände würden sich wieder ändern. Erneut ihr Zuhause zu verlieren, hätten die Vierbeiner nicht verdient. „Das sind Lebewesen und keine Kuscheltiere“, sagt Thomas.
Doch selbst wenn Bürger ihre Hunde, Katzen oder Hasen abgeben, können die Heimmitarbeiter nicht feststellen, ob das an der Lockerung der Corona-Maßnahmen liegt. „Da sind wir auf die Ehrlichkeit der Abgeber angewiesen“, sagt Eckl. Alles andere wäre Spekulation. Es gibt jedoch ein ganz anderes Problem: Beschlagnahmungen von Tieren aus illegalen Züchtungen. Dieses Jahr kamen im Kolbermoorer Tierheim bis Mai bereits 21 solche Hunde an. Normalerweise sind es drei oder vier jährlich. Da die Nachfrage nach Welpen während der Pandemie gestiegen ist, werden immer mehr Tiere aus anderen EU-Ländern importiert. Laut Eckl werden Welpen teilweise schon mit acht Wochen nach Deutschland gebracht.
Welpenhandel
als großes Problem
Offiziell können die Tiere aber frühestens in der zwölften Woche gegen Tollwut geimpft und ab 21 Tagen Wartefrist nach Deutschland gebracht werden – insgesamt also mindestens 15 Wochen. Erst kürzlich habe sich eine Frau an das Tierheim gewandt, die einen Welpen im Internet gekauft hat. Nun tauche eine ähnliche Anzeige vom selben Händler alle drei Monate auf. „Wenn das kein Welpenhandel ist, weiß ich auch nicht mehr“, sagt Eckl.
Die Welpenfarmen kämen meist damit davon. Das sei ein großes Problem, weil sie nicht auf die Tiere achten. Vor dem Kauf eines Welpen rät Eckl potenziellen Tierbesitzern deshalb, die Dokumente und das Alter von einem Tierarzt prüfen zu lassen. Ansonsten sei das Unglück groß: „Wenn zwei Welpen bei der Einreise sterben, ist das immer noch ein lukratives Geschäft für die Händler.“