Rosenheim – Das Bett, eine Couch, ein von den Nachbarn geliehener Tisch – vielmehr ist Jasmin und Daniel Striffler, ihrer fünfjährigen Tochter Charlotte und Hund Spiky nicht geblieben. Alles andere Mobiliar haben sie verkauft oder verschenkt. Die zwei sind nämlich mit Kind und Hund auf dem Sprung nach Moskau, werden dort für zunächst drei Jahre als Lehrer arbeiten, an der Schule der Deutschen Botschaft.
Verzicht auf den Beamtenstatus
Aufgeben mussten sie aber noch mehr – ihren Beamtenstatus nämlich. Eine Beurlaubung ist für Mittelschullehrer, und damit für Daniel Striffler, derzeit überhaupt nicht möglich. Für Realschullehrerinnen hängt es von den Fächern ab: Ob Jasmin Striffler mit ihrer Fächerkombination Englisch und Sport Chancen gehabt hätte, war nicht rechtzeitig genug zu klären.
Der Plan, noch einmal ein großes Abenteuer zu wagen, bevor es für Tochter Charlotte mit einem Schulwechsel verbunden wäre, damit fast gescheitert. Dabei hatte es gut angefangen. Eher aus einer Laune heraus hatte Daniel Striffler am Weihnachtstag eine Mail nach Moskau geschrieben, als er in den einschlägigen Foren für Auslandsschulen gelesen hatte, dass man dort Lehrer suche. Schon zwei Tage später war die Antwort da: „Wann können Sie anfangen?“ Dann aber eben die Ernüchterung mit der unerreichbaren Beurlaubung.
Die ganze Sache hätte sich damit fast erledigt gehabt, wäre Daniel Striffler mit seiner Lehrersituation nicht etwas unglücklich gewesen: Er hatte an seiner Aisinger Schule unter tätiger Mithilfe von Rektor Gerhard Walch und der Sparkassenstiftung eine „i-Pad-Klasse“ aufgebaut: Seit sieben Jahren, also schon lange vor Corona, wurde hier digitaler Unterricht mit all seinen Möglichkeiten praktiziert. Das ganze ein Leuchtturmprojekt, von Universitäten und auch vom Fernsehen besucht, nur von der bayerischen Schulbürokratie wenig gewürdigt: Keine Förderung, wenig Zukunftssaussichten.
An der Moskauer Schule aber, das wusste Daniel Striffler, wären sein Wissen und seine Erfahrung höchst willkommen. So reifte bei Jasmin und Daniel der Entschluss, den Sprung doch zu wagen, dafür zu kündigen und den Verlust des Beamtenstatus hinzunehmen.
Im April fragten die beiden deshalb nach, ob die Stellen noch zu haben wären – und die Antwort war positiv. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Zunächst die Abwicklung des Papierkrieges, dann der Beginn der Haushaltsauflösung: Abgesehen von den wichtigsten persönlichen Erinnerungsgegenständen wurde alles verkauft und verschenkt. „Ich bin mit dem Handy durchs Haus gelaufen“, erzählt Jasmin Striffler, „habe auf alles gezeigt und alle zugeschalteten Freunde und Verwandten gaben kund, was sie haben wollten: Der Tisch: Ist der noch frei? Den wollen wir!“
Neun Umzüge
bereits gemeistert
Alles komplett nach Moskau mitzunehmen, war für Jasmin und Daniel Striffler nie zur Debatte gestanden: „Nach neun Umzügen, die wir in unserem gemeinsamen Leben bislang schon hinter uns haben, hat man da Routine“, meint Jasmin Striffler und lacht: „Man lernt, dass man leichter lebt, wenn man sich immer wieder von dem ganzen angehäuften Sammelsurium trennt.“
Natürlich gab es auch Momente des Zweifels. War die Entscheidung wirklich die richtige? „Am Anfang war ich der, der richtig euphorisch war, während Jasmin eher die ganze Arbeit sah“, erzählt Daniel Striffler. „Dann aber kamen doch Fragen, denn man verlässt nicht so ohne Weiteres eine Schule samt Lehrerkollegen, wo man sich menschlich eigentlich richtig zu Hause gefühlt hat. Da aber war bei Jasmin die Vorfreude schon richtig am Wachsen.“
Vorfreude vor allem auf ein Land mit einer Kultur, die der unseren nicht so ähnlich ist, wie das im westlichen Europa oder Amerika der Fall gewesen wäre. „Uns hat das Fremde immer fasziniert“, sagt Jasmin Striffler. Die beiden haben deshalb auch schon zwei längere Reisen nach China hinter sich. Nun ist Moskau weder kulturell noch räumlich so weit weg wie Peking, aber, so sagen die beiden, doch fremd genug: Russland, so ein immer noch vielverbreitetes Klischee, sei dunkel, kalt und nach Jahrzehnten des Kalten Krieges immer noch leicht unheimlich.
Die Rückmeldungen, die die beiden von den Lehrern an der Schule bekommen hätten, ihren neuen Kollegen, zeichnen aber ein anderes Bild: Das von einer weltoffenen, durchaus schönen Metropole mit liebenswerten Menschen. „Wir wollen uns einen eigenen Eindruck machen“, sagt Jasmin Striffler. „Das ist ja der eigentliche Sinn von Reisen und auch solchen längeren Aufenthalten: den eigenen Horizont zu erweitern. Gerade als Lehrer ist das wichtig.“
Raus aus dem „Deutschen Dorf“
Deshalb werden sie auch die theoretische Möglichkeit, die drei Jahre mehr oder weniger ganz im „Deutschen Dorf“ der Botschaft zu verbringen, nicht nützen. „Wir wollen natürlich schon auch raus aus dieser Blase.“ Und deshalb lernen die beiden auch schon seit zwei Monaten Russisch: „Uns etwas zu essen bestellen und nach dem Weg fragen – das können wir bereits.“ Am morgigen Sonntag geht ihr Flug, am 23. August beginnt dort bereits das Schuljahr. Dazwischen ein bisschen Zeit fürs allererste Eingewöhnen. „Und natürlich für eine Touri-Tour durch Moskau und auf den Roten Platz. Das muss sein.“