Rosenheim – Tritte, Schläge und Beschimpfungen: Wenn es zu Hause nicht mehr auszuhalten ist, finden Frauen Schutz im Frauenhaus des Sozialdienst katholischer Frauen Südostbayern in Rosenheim. Das dort angegliederte Projekt „Second Stage – Zuhause angekommen“ soll Betroffenen auch nach dem Auszug helfen und sie auf ihrem Weg in ein eigenständiges Leben begleiten.
Eine neue
Existenz aufbauen
Einfach ist der Weg aus dem Frauenhaus nicht. Denn für kaum jemanden ist es schwieriger, eine Wohnung zu finden, als für alleinerziehende Frauen, die sich gerade wieder zurück ins Leben gekämpft und kein geregeltes Einkommen haben. Damit genau diese Frauen nach ihrem Auszug aus dem Frauenhaus nicht komplett im Regen stehen, hat das Bayerische Sozialministerium das Projekt „Second Stage“ auf den Weg gebracht. Insgesamt gibt es in Bayern 17 solcher Projekte. Eines davon ist Rosenheim.
Hier unterstützen Ivonne Wiese, Johanna Ender und Mirjam Ziegler bereits seit Dezember 2019 Frauen dabei, sich nach dem Aufenthalt im Frauenhaus eine neue Existenz aufzubauen. „Wir wollen nicht, dass die Frauen zurück zu ihren gewalttätigen Männern müssen“, sagt Wiese. Doch in der Vergangenheit wäre genau das oft geschehen. Nicht nur aufgrund des ohnehin angespannten Wohnungsmarktes, sondern auch, weil viele Vermieter oft Vorurteile hätten. „Wir würden damit gerne aufräumen und den Vermietern Mut machen, mit den Frauen persönlich in Kontakt zu treten“, heißt es von den drei Sozialarbeiterinnen.
Die Mitarbeiterinnen helfen den Frauen auch bei der Wohnungssuche, dem Umzug und bei der Nachbetreuung. „Die klassische Frauenhaus-Nachsorge gab es schon immer, aber in den vergangenen Jahren hat sich viel verändert“, sagt Wiese. Sie spricht von Vermittlungsschwierigkeiten, macht auf das Problem des extrem knappen Wohnraumangebots in Rosenheim aufmerksam. „Dadurch verlängert sich der Aufenthalt vieler Betroffener im Frauenhaus“, sagt Ender. Das wiederum führe dazu, dass die vorhandenen Plätze seltener neu belegt wären. In der Folge müssten andere Schutzsuchende abgewiesen werden.
Ein Problem, das das Projekt „Second Stage“ zumindest versucht, zu lindern. „Nach fünf bis sechs Wochen im Frauenhaus stellen wir den Bewohnerinnen das Projekt vor“, sagt Wiese. Gezwungen, daran teilzunehmen, werde niemand, alles laufe auf freiwilliger Basis. In verschiedenen Workshops bringen die Mitarbeiterinnen den Frauen anschließend bei, wie man beispielsweise eine Schufaauskunft einholt, und erklären ihnen, was sonst noch alles zu einer Wohnungssuche dazugehört. „Wir helfen den Frauen dabei, täglich mehrere E-Mails zu verfassen und ihre Bewerbung individuell zu gestalten“, sagt Wiese. Und auch im Hintergrund sind die Sozalarbeiterinnen aktiv. So suchen sie immer wieder den Kontakt zu Wohnungsanbietern, um den Bedarf sichtbar zu machen. „Vielen Vermietern ist nicht bewusst, dass es ein solches Projekt gibt, deshalb wollen wir eine Vernetzungsstruktur schaffen“, sagt Ender.
Sechs Monate
lang Unterstützung
Im Idealfall würden sich private Vermieter oder Immobilienfirmen von sich aus bei ihnen melden, wenn sie eine freie Wohnung zur Verfügung hätten.
Nach der erfolgreichen Wohnungssuche können die Frauen das Projekt für weitere sechs Monate in Anspruch nehmen. Die Mitarbeiterinnen begleiten ihre Schützlinge auf Behördengängen, beraten sie bei Finanzfragen oder stellen den Kontakt zu anderen Hilfsangeboten her.
Wie wichtig das Projekt ist, zeigt die Tatsache, dass fast jede Bewohnerin das Angebot annimmt. „Second Stage ist eine wichtige Unterstützung“, sagt Ender.