Der Archivar des Vaters

von Redaktion

Wie der Sohn von Ernest „Igl“ Hofmann dessen Erfindungen weiterleben lässt

Rosenheim – Erfinder, Grafiker, Karikaturist und Bildhauer: Es gab nichts, was Ernest „Igl“ Hofmann nicht konnte. Seit seinem Tod im Jahr 2001 hält Sohn Till nicht nur das Werk seines Vaters zusammen, sondern sorgt dafür, dass dessen Entwürfe umgesetzt werden. Wie zum Beispiel der des Zirkels, der 2022 auf den Markt kommen soll.

Entwürfe für die
Nachwelt erhalten

Vorsichtig öffnet Till Hofmann das transparente Etui und nimmt den Zirkel heraus, der von der Seite aussieht wie ein Männchen, das einen Stift hält. Er zeigt auf den Kugelkopf, der extra so angefertigt wurde, dass Kinderhände ihn besser greifen können, und auf die Klemmvorrichtung, in der Bleistifte, Kugel-, Faser- und Tuscheschreiber Platz finden. Er erklärt, warum die breiten Schenkelflächen das Abgreifen von Längen einfacher machen und wie der kegelförmige Hals für eine widerstandslose Rotation sorgt.

Der 63-Jährige weiß alles, was es zu wissen gibt über das kleine Zeichengerät, das sein Vater – der bekannte Designer Ernest „Igl“ Hofmann – vor mehr als 20 Jahren entworfen hat. „In der Schweiz wird der Zirkel bereits verkauft“, sagt er. Jetzt soll er auch nach Deutschland kommen. Keine ganz einfache Angelegenheit, wie Till Hofmann verrät. Denn der 63-Jährige hat sich nicht nur zur Aufgabe gemacht, die Entwürfe und Erfindungen seines Vaters für die Nachwelt zu erhalten, sondern sie auch weiterzuentwickeln. „Alle unsere Produkte, die jetzt auf den Markt kommen, sollen aus recyceltem beziehungsweise recycelbarem Material bestehen. Das haben wir uns auf die Fahne geschrieben“, sagt Hofmann, der seinem Vater bereits als kleiner Bub immer wieder über die Schulter geschaut hat.

Schon damals habe er das Schaffen seines Vaters bewundert. Doch über die Jahre entfernten sich die beiden immer mehr voneinander. Zu groß waren die Interessenskonflikte, zu unterschiedlich die Sicht auf das Leben. „Wir konnten einfach nicht miteinander“, sagt Till Hofmann heute. Während sein Vater ein Präzisionsmikroskop für Leica, einen Rodelschlitten für das Unternehmen Fritzmeier und Gummistiefel für Romika entwickelte, machte sein Sohn sich selbstständig und kaufte Konkursware auf. Erst als sein Vater im Alter von 74 Jahren an Krebs erkrankte, fanden die beiden wieder zueinander. „Wir haben noch mal tolle und kreative Jahre erlebt“, sagt Till Hofmann. Während dieser Zeit erklärte der „Igl“ – ein Künstlername, den er sich selbst 1954 gegeben hatte – seinem Sohn alles, was es mit sämtlichen Skizzen und Entwürfen auf sich hat, die er über die Jahre angefertigt hatte. Einige seien bereits damals auf dem Markt gewesen – wie etwa die berühmte Kugelkanne, deren Griff zugleich Ausgießer ist – andere holte er zum ersten Mal aus der Schublade.

Till Hofmann hörte zu, machte sich Notizen und lernte die kreative Welt seines Vaters immer besser zu verstehen. Als sein Vater mit 81 Jahren starb, erhielt Hofmann nicht nur sämtliche Urheberrechte. Er kann mit den Hunderten von Skizzen und Entwürfen, die sein Vater hinterlassen hat, auch etwas anfangen. Einen ersten Einblick, wie groß dieses Vermächtnis tatsächlich ist, gab es bei der Ausstellung „Made in Rosenheim – Design und Werbung aus 100 Jahren“, die im vergangenen Jahr in der Städtischen Galerie gezeigt wurde.

Doch mit der Ausstellung war es für Till Hofmann noch nicht getan. Der 63-Jährige, der sich selbst als „kleinen Archivar seines Vaters“ bezeichnet, hat die vergangenen anderthalb Jahre genutzt, um die Unterlagen seines Vaters noch einmal durchzugehen. „Ich habe die jeweiligen Entwürfe dann überarbeitet und überlegt, wie man sie moderner und langlebiger machen kann“, sagt er. Die „treibende Kraft“ hinter allem sei sein Sohn Tom, ein Jura-Student, der kurz vor seinem Staatsexamen steht. „Gemeinsam wollen wir Produkte meines Vaters auf den Markt bringen, die wir optimiert haben“, sagt Till Hofmann. Unter anderem eben besagten Zirkel.

Die Zirkelteile sollen von dem Rosenheimer Kunststoffhersteller „Mangfall Plastik“ hergestellt und anschließend in den Behindertenwerkstätten zusammengebaut werden. Im Moment laufen zudem die Verhandlungen mit einem Lebensmittel-Discounter. Läuft alles nach Plan, könnte der Zirkel schon im kommenden Sommer zu kaufen sein.

Klebefilm-Abroller
und ein Schreibtisch

Auch den berühmten Igl-Schreibtisch wollen Till und Tom Hofmann wieder aufleben lassen, an dem als „Man in Black“ bereits Agent Will Smith gearbeitet hat. Auch ein Klebefilm-Abroller entsteht gerade. Zeit zum Durchatmen gibt es im Moment nur selten. Zu stören scheint das Till Hofmann nicht. „Ich gehe jeden Tag mit Freude an die Dinge ran“, sagt er. Vielleicht auch, weil er weiß, dass sein Vater stolz auf ihn wäre.

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