Kolbermoor – „Ich freue mich über jede der vielen Begegnungen, bei denen die Leute auf mich zugehen, sich mit mir ganz unkompliziert unterhalten und mich einfach so nehmen wie ich bin“, sagt Noel Cousley (26) aus Kolbermoor. Er hat weder Füße noch Hände. „Noch lieber wäre mir aber, wenn sie einen Blick hinter meine Behinderung, quasi hinter meine Kulissen, werfen und nach meinen persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten schauen würden, von denen ich durchaus eine Menge habe“, beschreibt er seinen Wunsch nach einem Job.
Ausbildung und
Praktika absolviert
Dafür hat er mit einigen Praktika „querbeet“, einer eigenen Wohnung und seiner abgeschlossenen Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation ja schon einmal ein Fundament gelegt. Autofahren, auch das ist für den Deutsch-Jamaikaner kein Problem, einen Führerschein für ein auf seine Behinderung zugeschnittenes Auto hat er auch, „ist doch logisch, wenn man beweglich sein will. Im Kolbermoorer Umkreis von 50 Kilometern bin ich flexibel“. Überhaupt ist Noel ein sympathisches, spontanes, aufgeschlossenes und offenes Energiebündel.
Er hat über
37000 Follower
Bei dem Treffen spürt man schnell hautnah, der junge Mann „steht mit seinen beiden Beinen voll im Leben“ und weiß genau, was er kann und will. Eine berufliche Tätigkeit rund um das große Thema Orthopädie würde ihn besonders reizen. „Also, wenn nicht ich, wer dann bitte ist der perfekte Fachmann, Ansprechpartner und Ratgeber, wenn es um körperliche Beeinträchtigungen sowie Behinderungen und den damit verbundenen Hilfsmitteln geht. Ich weiß doch aus eigener Erfahrung, wo es drücken und zwicken kann.“
Auch sind ihm Büroarbeiten nicht fremd. Mit seinen Arbeits-Prothesen kann Noel dass alles ganz gut Händeln. Egal ob Fußball-Kicken, Besuche von großen Volksfesten, Flugreisen oder mit dem Scooter durch Kolbermoor fahren. Er macht alles und zieht dabei nicht selten überraschte und bewundernde Blicke auf sich. „Ich kann eben anpacken, geht nicht, gibt’s nicht.“ Umso mehr ärgert ihn, dass er auf seine Bewerbungen in einigen Fällen nicht einmal eine Antwort erhält, dabei will er doch nur eine faire Chance, um sein Leben auch in finanzieller Hinsicht allein bestreiten zu können.
Dankbar ist er in dem Zusammenhang für die Unterstützung von Erika Schreiner von der Caritas, als auch für das ehrenamtliche und finanzielle Engagement des Rosenheimer Fördervereins Integriertes Wohnen, die für seine Anliegen und Wünsche immer ein offenes Ohr haben.
Gut unterwegs ist er auf den Social-Media-Kanälen. Auf Instagram und Facebook gibt er in Bildern und Videos seinen über 37000 Followern Einblicke in sein abwechslungsreiches, in Teilen auch schwieriges Leben.
Was er demgegenüber konsequent ablehnt, ist eine übertriebene Fürsorge, „dass ist grundsätzlich ja top, ich weiß dies auch wirklich zu schätzen, für meinen Alltag ist es aber in Summe eher hinderlich“. Die Frage nach einer Anekdote aus seinem Leben, beantwortet er spontan: Bei einem Besuch auf dem Oktoberfest mit seinen Spezln vor ein paar Jahren ging es im „Parcours“-Fahrgeschäft im wahrsten Sinn des Wortes rund. Die enorm hohen Fliehkräfte zogen ihm die Prothesen von den Oberschenkeln. Beide machten sich im „unkontrollierten Flugmodus selbstständig“. Eine schlug in einer angrenzenden Mauer ein, die andere landete in der umstehenden Menschenmenge. „Das war schon echt krass, der Fahrgeschäftsinhaber hatte so etwas noch nie erlebt und war nach der eingeleiteten Notbremsung kreidebleich. Gott sei Dank ist nichts passiert“, schüttelt er heute noch etwas ungläubig den Kopf. Einen festen Glauben hat er auf jeden Fall an seine Chance, doch noch einen Job zu bekommen, „alles was ich anpacke, hat Hand und Fuß, darauf kann sich mein Arbeitgeber verlassen.“