Rosenheim – Am morgigen Freitag startet die Rosenheimer Stadtführergilde mit ihrer neuen Führung „Inngeist“. Stadtführerin Karin Wiesböck verrät, welche Besonderheiten die Besucher erwarten und was es bei der Vorbereitung zu beachten galt, um den Teilnehmern ein möglichst authentisches Erlebnis zu bieten.
Die neue Führung dreht sich um den Inn- und den Salzgeist. Verraten Sie uns ein wenig darüber, was die Teilnehmer erwartet?
Innerhalb der Inntaler Sagenwelt gibt es Geschichten und Sagen, über Dinge, die sich die Inn-Schiffer noch gar nicht erklären konnten. Ist damals jemand in den Fluss gefallen und die Schiffer konnten ihren Kameraden nicht mehr herausholen, haben sie tatsächlich gedacht, dass er dem Inngott zum Opfer gefallen sei. Den Inngott haben sie sich vorgestellt wie einst Neptun, mit Sixpack sozusagen.
Also eher eine Erscheinung aus der heidnischen Ecke.
Genau. Und zum Inngott gehört der Inngeist. Und dieser braucht ganz viele Leute zum „Mitgeistern“. Sicher waren die Inn-Schiffer Christen, glaubten aber auch an Neptun. Damit war es kein Problem, sich zugleich auch den Inngott ein bisschen „warm zu halten“. Hieraus haben sich viele Sagen entwickelt, darunter die über den Inngeist. Der Inngeist kommt zum Beispiel an Weihnachten aus dem Fluss. Dann macht er sich auf die Suche nach jungen Burschen und jungen Madeln aus Rosenheim.
Was treibt den Inngeist hierzu?
Diese wirbt er an. Jene, die ihm dienten, durften sich nach sieben Jahren auf einen Ring freuen, der ihnen ewiges Leben schenkte wie auch Wohlstand und Macht. Über die findigen Burschen und Madeln aus Rosenheim, welche den Inngeist austricksten, gibt es 1000 Geschichten. Einige erzählen wir auch während der Führung.
Die Führung läuft ja nach Einbruch der Dämmerung.
Ja, es handelt sich um eine Taschenlampenführung, die jedoch nichts für Kinder unter zwölf Jahren ist. Wir haben zwar keine Horroreffekte wie zu Halloween, sondern arbeiten mit anspruchsvollen Geschichten. Aber ein wenig gruselig ist es natürlich schon. Es geht uns um Geschichten und die Historie. Damit es ein wenig unterhaltsamer ist, bauen wir immer mehr Schauspielteile in die Führungen ein.
Geht es denn ausschließlich um den Inngeist?
Nein. Es braucht viele Geister, die wir rufen, zum Beispiel den Salzgeist. Der Inn steht ja für den Salzhandel, der Rosenheim so reich gemacht hat.
Wie liefen die Vorbereitungen für die neue Führung?
Wenn man so eine Führung vorbereitet, brauch es auf jeden Fall zwei Monate Recherche im Stadtarchiv. Dann haben sie die Fakten zusammen. Die müssen aber für die Teilnehmer locker-flockig rüberkommen. Anschließend muss man die Tour erst mal abgehen. Später geht es auf die Suche nach möglichen Darstellern für solch eine Führung.
Das muss ja dann auch geprobt werden. Wie macht man das in der Öffentlichkeit, wenn man vor der Premiere nicht allzu viel verraten möchte?
Auf dem Landesgartenschaugelände, wo sich ein Großteil abspielt, war das gar nicht schwierig. Dort sind ja abends um 20 Uhr nicht viele Leute. Bei anderen Führungen wie den „Weibsbildern“ war das schon schwieriger. Dort probten wir in der Fußgängerzone. Dort schauen die Leute sich das an, schmunzeln da und dort und denken, wir seien so etwas wie Straßenmusiker. Wenn die Leute fragen, sagen wir: „Freuen Sie sich, lassen Sie sich überraschen.“ Wir haben zeitweise auch tagsüber geprobt. Dann konnten wir jene besonderen Plätze, die wir zeigen wollten, auch gut sehen und überlegen, welche Wegstrecke wir für die Tour wählen. Die Proben am Abend halfen eher dabei, die Lichtverhältnisse einzuschätzen. Es geht ja auch darum, Mystik zu erzeugen.
Und das gelingt wie?
Wir schauten: Aus welcher Richtung kommt jetzt der Nebel von der Mangfall? Wo sind diese guten Stellen, wo kann ich mit der Taschenlampe gut reinleuchten? Wo kann man sich vorstellen, dass der Inngeist schon wartet? Das muss man ja alles ein bisschen dramaturgisch aufbereiten und zur gleichen Zeit umsetzen, zu der die Führungen stattfinden sollen. Deshalb machen wir die Führung zunächst im Herbst.
Wer schrieb die Texte für die Führung?
Ich und mein Kollege Stefan Kürschner haben die Dialoge gemeinsam entwickelt: Stefan Kürschner hat Gedichte geschrieben, und zwar jenen Geistern, die wir rufen, höchstpersönlich auf den Leib geschrieben. Jedoch darf man während der Führung nichts erwarten, das an Halloween erinnert. Natürlich soll die Führung auch unterhaltsam sein. Aber wir sind keine ausgebildeten Schauspieler. Aber das ist nicht der Anspruch.
Sondern?
Wir wollen Geschichte vermitteln, aber nicht inszeniert wie im Film.
Interview: Jens Kirschner