Leben nach dem Leerstand

von Redaktion

Das ehemalige Bahnbetriebswerk in Rosenheim liegt als Industrieruine brach. Eine Studentin der Rosenheimer TH hat sich in ihrer Bachelorarbeit mit Lösungen beschäftigt, wie in die leeren Hallen im Eigentum des Bundes wieder Leben einziehen könnte.

Rosenheim – Selbst die Satanisten waren wohl schon dort. Ein wenig Grusel kam bei Michelle Blabst schon auf, als sie sich zum ersten Mal ins Bahnbetriebswerk schlich. Der große leere Raum, zerschlagene Scheiben, Graffiti an den Wänden. Gefeiert und übernachtet hat in dem Gewölbe offenbar auch schon jemand, wie die 25-Jährige anhand der Überbleibsel sehen konnte, die sie in der Halle fand. Auch ein Ort für schwarze Messen könnten die Hallen gewesen sein, zumindest will Blabst auf dem Boden auch satanische Symbole gesehen haben.

Für Veranstaltungen und Begegnungen

„Lost Places“ – verlorene Plätze – nennt man auf Neudeutsch solch verlassene Orte, die vor allem Fotografen anziehen. Für die Studentin Michelle Blabst diente das Betriebswerk jedoch als Blaupause für ihre Abschlussarbeit. Die Rosenheimerin fragte sich: Welche Möglichkeiten gibt es, einen solchen Komplex wiederzubeleben? „Leben nach dem Leerstand“, steht als Titel auf dem Deckblatt ihrer Arbeit, mit der sie ihr Bachelorstudium „Innenarchitektur und Möbeldesign“ an der Technischen Hochschule Rosenheim (TH) vollendete. Als neuen Veranstaltungs- und Begegnungsort für alle Generationen sieht die 25-Jährige den Industriekomplex der Bahn, der seit 1990 leer steht. Sie legt den Fokus auf die Hallen eins und zwei. Mit großen Vorhängen könnten die Flächen nach ihrer Vorstellung in kleinere Einheiten portioniert werden. Das Gebäude dient zum Großteil nur noch als Hülle. Das vorhandene Schienensystem will sie nutzen, um darauf Drehgestelle zu platzieren. Diese dienen entweder als kleine Bühnen – beispielsweise als Laufsteg für Modenschauen – oder als Basis für multifunktionale Container. In diesen könnten sogenannte Co-Working-Arbeitsplätze genauso unterkommen wie kleine Ateliers. Ihr Konzept ist dabei so flexibel, dass auch eine Zuschauertribüne Platz finden könnte, sollte eine größere Veranstaltung anstehen. Ihre Ideen konnte Blabst den Mitgliedern des Stadtentwicklungsausschusses vorstellen. Dort stießen ihre Pläne bei den Stadträten durchaus auf Zustimmung. Die Grünen-Stadträtin Judith Kley-Stephan sprach von einem „Leuchtturmprojekt für Rosenheim“. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Abuzar Erdogan nannte die Hallen ein „Juwel“, bei dem man tunlichst vermeiden sollte, es abzureißen. Eigentümer der Liegenschaft ist derzeit der Bund. Für Rosenheim stellt sich mithin die Frage, ob die Stadt die Immobilie selbst erwirbt und entwickelt oder ob sie Anreize für Investoren setzt, welche das Bahnbetriebswerk sanieren. Diese Optionen nannte auch Abuzar Erdogan. Stadtrat Florian Ludwig (CSU) brachte in die Diskussion ein, dass auch die Klepperhallen in ein solches Konzept miteinbezogen werden sollten.

Für Michelle Blabst ist das Bahnbetriebswerk ein Musterbeispiel, wo es in Rosenheim noch Potenzial gibt, das es auszuschöpfen gilt. „Wir reden immer von Nachverdichtung und dann liegt dort ein Riesenareal, auf dem einfach nichts passiert.“ Dieser Umstand war für sie Motivation genug, sich in ihrer Abschlussarbeit mit dem Gebäude zu beschäftigen. Einfach sei dieses Vorhaben nicht gewesen, berichtet Blabst, die ihre Ausbildung inzwischen an der Rosenheimer TH im Masterstudiengang „Innenarchitektur“ fortsetzt.

Keine Pläne
des Gebäudes

Allein schon die richtigen Ansprechpartner zu finden, die sich mit der Geschichte des Geländes auskennen, sei eine Herausforderung gewesen. Pläne des Gebäudes wiederum konnte sie keine mehr auftreiben. Stattdessen griff Blabst bei den Außenmaßen auf Google Maps zurück, die Dimensionen im Inneren der Halle musste sie mittels Laser selbst ausmessen. Ein bis zwei Monate habe sie allein damit verbracht, die bestehenden Hallen nachzuzeichnen.

Das Betriebswerk stehe nicht unter Denkmalschutz, wie Blabst berichtet. „Das heißt, man kann viel verändern.“ So kann sich die Studentin auch vorstellen, einen Teil der Hallen abzureißen, um Platz für einen Neubau zu schaffen. Das sorge für einen gewissen Kontrast.

„Mich würde es schon freuen, wenn ein Teil davon umgesetzt werden würde“, sagt die Studentin. Aber sie sei realistisch genug, um zu wissen, dass dies noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird, bis die Atmosphäre in den Hallen nicht mehr ganz so gruselig ist.

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