Grüne Idyllen mitten in der Stadt

von Redaktion

Schrebergärten-Boom in Rosenheim – Die Warteliste in der Erlenau ist lang

Rosenheim – Graben, pflanzen, ernten und entspannen: Die Pandemie hat die Nachfrage nach Kleingärten in der Region rasant steigen lassen. Ein Trend, den auch der Rosenheimer Kleingartenverein in der Erlenau-straße beobachtet. Dort gibt es mittlerweile sogar eine Warteliste.

Die Vorfreude auf das kommende Frühjahr spürt Rainer Schulze schon jetzt. Der Zweite Vorsitzende des Kleingartenvereins sitzt an dem großen Holztisch in dem Vereinsheim. Im Hintergrund brummt der Kühlschrank, im Fenster spiegeln sich die Lichter des Christbaums, den die Mitglieder des Gartenvereins vor einigen Tagen aufgestellt haben.

Verein zählt
111 Mitglieder

Viel zu tun gibt es für Schulze und die 111 Mitglieder des Vereins in den Wintermonaten nicht. Trotzdem statten die meisten von ihnen auch in der kalten Jahreszeit ihrem Schrebergarten mehrmals wöchentlich einen Besuch ab. Denn so ganz ohne geht es dann eben doch nicht. Das bestätigen auch der Vorsitzende des Vereins, Ulrich Kollmer, und Kassier Matthias Fraaß. „Der Garten verzeiht nicht, wenn man mehrere Wochen mal nicht da ist“, sagt Kollmer. Er ist seit 25 Jahren Mitglied im Verein. Der Kinder wegen habe er sich damals für einen Schrebergarten entschieden. „In der Stadt gibt es sonst kaum Möglichkeiten. Gerade wenn man eine Mietwohnung hat“, sagt er. Jetzt pflanzt er nicht nur Gemüse und Obst, sondern hat auch einen kleinen Sandkasten und ein Planschbecken für die Enkel.

Es ist ein Stück Oase mitten in der Stadt, um das ihn wohl gerade während der Pandemie viele Leute beneidet haben – aufgrund von Quarantäne, Reisebeschränkungen und Lockdown. „Seit Beginn der Pandemie ist unsere Warteliste immer länger geworden“, sagt Schulze. Vor allem Familien mit Kindern seien auf der Suche nach ihrem persönlichen Stück Natur mitten in der Stadt gewesen. „Wir hatten zum Teil sogar Anfragen aus Prien“, erinnert sich Kollmer. Im Moment würden elf Namen auf der Warteliste stehen, den nächsten freien Platz gibt es wohl erst im kommenden Herbst. „Im Herbst ist Kündigungszeit. Wir vergeben die neuen Plätze dann im Dezember und Januar“, sagt Schulze.

Während ein Großteil der 92 Kleingartenbesitzer in der Erlenau über 50 Jahre alt ist, seien die Neuankömmlinge deutlich jünger und hätten oft kleine Kinder. „Das freut uns natürlich sehr“, sagt Matthias Fraaß.

Der Rosenheimer ist seit elf Jahren Mitglied im Verein. Den Garten seines Cousins besucht er fast täglich. Er gießt, füttert die Vögel und schaut nach dem Rechten – denn auf der rund 12000 Quadratmeter großen Fläche in der Nähe zum Caritas-Altenheim St. Martin gibt es strikte Regeln. So müssen die „Gartler“ dafür sorgen, dass auf mindestens einem Drittel der Fläche Obst und Gemüse angebaut wird. Der restliche Platz darf für Grillplatz, Gartenhäuschen und Planschbecken genutzt werden. „Zu 99 Prozent halten sich die Leute dran“, sagt Schulze. Ihm liege das Erscheinungsbild auch deshalb am Herzen, weil es sich bei der Gartenanlage um eine öffentliche Einrichtung handelt. Immer wieder würden Bewohner des Altenheims oder Krankenhaus-Besucher durch die Anlage schlendern und – vor allem in den warmen Monaten – die Rosen und Tulpen bewundern, sich aber auch Tipps für eine erfolgreiche Ernte holen.

Heuer sei es ein Jahr der Auberginen, Gurken, Kartoffeln und Cantaloupe-Melonen gewesen. Tomaten habe es hingegen so gut wie keine gegeben. Der Braunfäule wegen. „Aber wir machen es nicht wegen der Ernte“, sagt Schulze. Der Spaß stehe im Vordergrund. Aber auch die Gemeinschaft. „Das Ratschen und Austauschen macht das Vereinsleben aus“, sagt Kollmer. Doch seit der Pandemie seien auch diese Momente immer seltener geworden. Feste mussten abgesagt und Stammtische verschoben werden. „Das geht uns schon ab“, sagt Schulze.

Pflanzen-Kataloge
werden gewälzt

Der Zweite Vorsitzende ist seit über 30 Jahren Mitglied im Verein. Und das, obwohl er als kleiner Bub die Gartenarbeit gehasst habe. Mittlerweile kann er sich ein Leben ohne seinen Schrebergarten nicht mehr vorstellen. In den kommenden Monaten will er durch die Kataloge blättern und überlegen, was er im kommenden Jahr anpflanzen will. Im Februar werden dann auf der Fensterbank die ersten Paprikas, Chilis und Tomaten gesät. Im Mai wird dann auch draußen gepflanzt. „Spätestens im März erwacht bei uns allen der grüne Daumen“, sagt Fraaß. Er selbst kann es kaum erwarten, im kommenden Jahr – nach getaner Arbeit – wieder im Garten zu sitzen, den Vögeln beim Zwitschern zuzuhören und zu beobachten, wie alles „wächst und gedeiht“. Die Vorfreude spürt auch er schon jetzt.

Ein Blick zurück

Der Rosenheimer Kleingartenverein wurde im März 1947 im damaligen Sterngarten in Rosenheim gegründet. Anfang 1952 sicherte die Stadt Rosenheim den Kleingärtnern eine verpachtete Ersatzfläche in der Erlenau. 1961 verlor der Kleingartenverein circa 500 Quadratmeter aufgrund des Ausbaus der Erlenaustraße. Seitdem können die Mitglieder auf einer Gesamtfläche von 12041 Quadratmetern ihre persönlichen Ideen in ihrer eigenen Parzelle nach den Richtlinien des Landesverbandes verwirklichen.

Artikel 9 von 11