Rosenheim – Die „Aktiven Senioren für Rosenheimer Jugendliche“ haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Ehrenamtslandschaft in der Stadt mitgeprägt. Jetzt verabschieden sie sich in den Ruhestand – und das, obwohl sie eigentlich gerne noch ein paar Jahre weitergewerkelt hätten.
Großteil früher
im Handwerk tätig
Es gibt wahrscheinlich nur wenige Dinge, die Werner Pichlmeier nicht reparieren kann. Der Rosenheimer hat sich vor 15 Jahren überreden lassen, Teil des Vereins „Aktive Senioren für Rosenheimer Jugendliche“ zu werden. „Ich bin der einzige Pädagoge im Team“, sagt er. Handwerklich begabt gewesen sei er trotzdem – eine Voraussetzung, um Teil des Vereins zu werden. Denn die rund 70 Mitglieder wissen, wie man Dinge repariert. Egal ob Waschmaschine, Toaster oder Fahrrad. „Die meisten von uns waren früher im Handwerk tätig“, sagt Pichlmeier.
Über die Jahre hätten die Senioren des Vereins nicht nur bei zahlreichen Bauprojekten geholfen, sondern auch mit Jugendlichen zusammengearbeitet, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Da seien junge Männer gewesen, die in Schlägereien verwickelt waren oder jene, die Drogen vertickten und dabei erwischt wurden. „Das sind Jugendliche, die aufgrund ihrer Vergangenheit sehr wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben“, sagt Pichlmeier. Und genau hier setzt das Projekt der Aktiven Senioren an.
Über die Jugendgerichtshilfe sei es gelungen, Kontakt zu Jugendlichen herzustellen. Anschließend habe man gemeinsam an kleineren Bauprojekten gearbeitet. „Wir haben uns dann angeschaut, was die jungen Leute so drauf haben“, erinnert sich Pichlmeier. Oft hätten sich bei der Zusammenarbeit Qualitäten gezeigt, die noch nicht im Lebenslauf vermerkt gewesen seien. Einige hätten gut mit Hammer und Säge umgehen können, andere seien extrem teamfähig gewesen.
Und weil die Senioren auch nach ihrem Ruhestand noch ein Telefonbuch voller Kontakte zu ihren alten Arbeit- und Auftraggebern hatten, riefen sie dort an und vermittelten einen Großteil der Jugendlichen. „Schwer vermittelbaren jungen Leute haben wir so einen Beruf beziehungsweise eine Ausbildung verschafft“, sagt Pichlmeier.
Es ist ein Projekt, das auch deutschlandweit für Aufsehen gesorgt hat. So erhielten die Senioren von der Bundesregierung im Rahmen des Wettbewerbs „Generationendialog in der Praxis“ mit dem Leuchtturmpreis die höchstmögliche Auszeichnung. „Damit gehören wir zu den zehn besten Projekten der gesamten Bundesrepublik“, sagt Gerd Rose, früherer Jugendamtsleiter und Schatzmeister des Vereins. Werner Pichlmeier fügt hinzu: „Das war schon ein echter Ritterschlag.“
Und auch sonst haben sich die Senioren tatkräftig für die Jugendlichen eingesetzt. 2016 riefen sie beispielsweise die Aktion „Bikes for Friends“ ins Leben. Das Ziel: Das Mobilitätsproblem jugendlicher Flüchtlinge lösen. „Viele der Jugendlichen sind aufgrund fehlender Möglichkeiten von A nach B zu kommen, nicht in der Lage gewesen, Sprachkurse zu besuchen oder die Region zu erkunden“, sagt Pichlmeier. Um diese Situation zu verbessern, habe er gemeinsam mit seinen Vereinsmitgliedern einen Aufruf gestartet mit der Bitte, alte und nicht mehr gebrauchte Räder an den Verein zu spenden.
Um die teils kaputten Räder wieder in Schuss zu bringen, eröffneten die Senioren 2016 die Fahrradwerkstatt auf dem Vereinsgelände in der Ganghoferstraße 33 in der Aisingerwies. Hier wurde geschraubt, gebastelt und geratscht. Teils den ganzen Tag lang. „Wir waren ein richtiges gutes Team“, sagt Pichlmeier.
Doch auch die schönste Zeit geht irgendwann zu Ende. Weil der Stadtjugendring für die von den Aktiven Senioren betriebene Werkstatt Eigenbedarf angemeldet hat, haben die Mitglieder in der jüngsten Vollversammlung ihre Auflösung beschlossen. „Wenn man Handwerkern die Werkstatt nimmt, ist das natürlich ein Dolchstoß“, sagt der Rosenheimer. Sich nach einer anderen Bleibe umzuschauen, sei für die Senioren nicht infrage gekommen. „Man kann einen alten Baum nicht ausreißen und woanders wieder einpflanzen“, sagt er. Hinzu komme, dass es in den vergangenen Jahren mehr Trauerfälle als Neuzugänge gegeben habe.
Geld für
soziale Einrichtung
Einfach gefallen ist den rund 70 Senioren der Abschied trotzdem nicht. „Wir sind sehr traurig, aber die Freude über das Erreichte überwiegt“, sagt Pichlmeier.
In den kommenden Monaten kümmert er sich um die Abwicklung der „Aktiven Senioren“. So habe sich in den vergangenen 20 Jahren ein kleines Vereinsvermögen angesammelt. Das wollen die Senioren an eine soziale Einrichtung übergeben – und so zum letzten Mal etwas Gutes für die Rosenheimer zu tun.