Rosenheim – An die Jahre des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert eine Wandgestaltung an einem Wohnblock in der Lena-Christ-Straße in der Stadt Rosenheim. An der Ostseite des Gebäudes gestaltete der Rosenheimer Albert Faber 1954 über die ganze Fassadenhöhe eine Abfolge von drei Motiven in der damals sehr beliebten und haltbaren Technik des Kratzputzes.
Die unterste Szene schildert in einem warmen Ziegelrot ein Zeichen des Neubeginns: Eine kniende Frau pflanzt ein kleines Bäumchen. Die Grube für den Setzling hat ihr Mann ausgehoben, der sich hinter ihr auf eine Schaufel stützt. Ein Mädchen sitzt davor und schaut den Eltern begeistert zu.
Zeittypische
Kleidung
Eine kleine Familienszene, die das Gefühl des Neustarts nach dem Krieg ansprechend wiedergibt. Zeittypische Kleidung und Frisuren sowie drei wellige Grundlinien unterstreichen den Eindruck. Die Frau mit dem Setzling erinnert stark, wenn auch spiegelverkehrt, an das Motiv der „Baumpflanzerin“, die ab 1949 die von dem hessischen Bildhauer Richard Martin Werner entworfene 50-Pfennig-Münze zierte.
Die Szene darüber, und perspektivisch leicht in den Hintergrund gerückt, zeigt in einer kontraststarken schwarz-weißen grafischen Struktur den für die Nachkriegszeit so wichtigen Wohnungsbau. Auf einem Gerüst agieren fünf Arbeiter, ein sechster schiebt davor eine Schubkarre.
Dahinter wächst eine Hauswand empor, deren rechter roter Abschluss zur Familienszene darunter vermittelt. Über dem ganzen sehen wir wie eine Werbeaufschrift die Zeilen „VdK Deutschland“ sowie die Wappen von Bayern und Rosenheim. Ganz links unten können wir die Künstlersignatur erkennen: „A. Faber 54“.
Erfindung
aus Rosenheim
Wie schön, dass gerade in Rosenheim ein Kunstwerk an den VdK erinnert, der eine Rosenheimer Erfindung ist. Der Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands, wie er sich ab 1950 nannte, geht zurück auf zwei Rosenheimer, den SPD-Politiker Karl Weishäupl (1916 bis 1989) und Willi Hofmann (1925 bis 2020).
Als Weishäupl seinem Jugendfreund Hofmann, der schwer kriegsbeschädigt in seine Heimatstadt zurückgekehrt war, von der Idee einer Beratungsstelle für Kriegsopfer erzählte, war dieser sofort dabei. So entstand im Juli 1945 eine erste Beratungsstelle in Rosenheim.
Die Idee wurde begeistert aufgenommen und dann ging es Schlag auf Schlag: 1946 VdK Bayern, 1947 Orts- und Kreisstelle Rosenheim, 1950 VdK Deutschland. Weishäupl und Hofmann wirkten dann auch jahrzehntelang in führenden Positionen des von ihnen gegründeten Verbandes.
Der VdK beriet nicht nur Kriegsversehrte, Witwen und Waisen, sondern schuf auch dringend benötigten Wohnraum. So wurden Siedlungen und Wohngebäude gebaut, wie in Haidholzen, Kolbermoor und eben auch Rosenheim. Hier am damaligen Drosselweg, der nach der Eingemeindung von Aising 1978 in Lena-Christ-Straße umbenannt wurde, um Verwechslungen zu vermeiden, konnte Albert Faber 1954 die Giebelwand eines Wohnblocks künstlerisch gestalten.
Erfolgsjahr
des Verbandes
Dieses Jahr war das große Erfolgsjahr des Verbandes in der frühen Zeit, mit mehr als 400000 Mitgliedern und der auf der politischen Schiene durchgesetzten Einführung des Bundesversorgungsgesetzes. In diesem Jahr wurde Deutschland Fußballweltmeister, Konrad Adenauer war Bundeskanzler und Theodor Heuss Bundespräsident.
Wie schön, dass sich das großflächige Sgraffito, das an diese Aufbaujahre erinnert, erhalten hat und nicht schon längst Opfer einer Wärmedämmung oder eines Hausabrisses wurde. Hoffentlich bleibt es so.