Demonstranten geraten aneinander

von Redaktion

Ermittlungen wegen Körperverletzung nach Kundgebung auf dem Ludwigsplatz

Rosenheim – Rund 150 Teilnehmer haben sich Montagabend auf dem Rosenheimer Ludwigsplatz zu einer Kundgebung getroffen. Am Rand der Kundgebung wie auch danach kam es jedoch zum Aufeinandertreffen mit jenen, gegen welche die Demonstranten eigentlich auf die Straße gegangen waren.

Ängste friedlicher
Bürger ausnutzen

Die Kundgebung sollte ein Zeichen setzen. Ein Zeichen gegen jene unangemeldeten Kundgebungen gegen die Corona-Politik, die inzwischen gemeinhin als „Spaziergänge“ bekannt sind. Angemeldet hatte die Kundgebung unter anderem die Partei-Stadträtin Ricarda Krüger, jedoch ergriff neben Rednern der Linken, der SPD und der Grünen auch ein Liberaler das Wort an diesem Abend.

„Wir stehen hier nicht, weil wir die Sorgen der Bürger nicht ernst nehmen. Nein, wir wollen, dass die berechtigten Bedenken unserer Mitmenschen nicht gekapert oder ausgenutzt werden, von extremistischen Spinnern, die mit Verschwörungstheorien die Ängste friedlicher Bürger ausnutzen wollen, um damit ihre eigenen Ziele zu befeuern“, sagte der Kreisvorsitzende der Rosenheimer FDP, Daniel Reuter.

Wie schon zu anderen Veranstaltungen dieser Art war der frühere AfD-Kreisfunktionär Stefan Bauer zugegen und versuchte, die Veranstaltung mit seinem Handy zu filmen. Deshalb geriet er mit den Veranstaltern der Demonstration aneinander, die ihm augenscheinlich den Zutritt zur Kundgebung verweigern wollten. Bauer fühlte sich deswegen offenbar in seiner Rolle als Berichterstatter für seinen Youtube-Kanal beschnitten.

Das Ganze gipfelte darin, dass sich Bauer auf den Marktfrauen-Brunnen stellte und „Nazis raus!“ in Richtung der Demonstranten skandierte. Bauer war im März vergangenen Jahres durch ein Youtube-Video in die Schlagzeilen geraten (wir berichten). In diesem hatte er Corona-Impfstoffe mit dem Nervengas Zyklon B gleichgesetzt, welches die Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern für ihren Massenmord an Juden verwendet hatten. Dies führte zu seinem Ausschluss aus der AfD. Wegen seiner Aktivitäten als Berichterstatter wiederum verurteilte ihn das Amtsgericht Regensburg im Oktober 2021 zu einer Geldstrafe von 300 Euro. Er hatte Polizeibeamte gefilmt und die Aufnahmen live ins Internet übertragen.

Gegen 18.30 Uhr wandten sich die Veranstalter an die Polizei Rosenheim, um Bauer und seine Begleiter von der Versammlung entfernen zu lassen. Bauer musste sich von den Beamten vorhalten lassen, den gesetzlich, aber ebenso im Versammlungsbescheid vorgeschriebenen Mindestabstand zwischen den Teilnehmern unterschritten zu haben.

Auch mit Blick auf das Versammlungsrecht könnte Bauer gegen Regeln verstoßen haben, indem er als vermeintlicher Berichterstatter eher durch Agitation denn durch Dokumentation auffiel. Die Polizei ermittelt in dieser Sache, erteilte Bauer jedoch schon vor Ort einen Platzverweis.

Nach der Kundgebung auf dem Ludwigsplatz ist es gegen 20 Uhr auch zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern besagter Demo und Teilnehmern sogenannter „Spaziergänge“ gekommen. Die Rosenheimer Jusos monieren in einem Schreiben an die Presse, dass einer ihrer Mitstreiter auf dem Max-Josefs-Platz von „Querdenkern gewalttätig angegriffen und verletzt“ worden sei. Der Geschädigte, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, schildert, dass er mit anderen Jusos die „Spaziergänger“ aus der Distanz beobachtet haben will.

Auseinandersetzung
auf Max-Josefs-Platz

Auf dem Rückweg hätten sie am Max-Josefs-Platz gewartet, wo hinter ihnen gerade eine Menschengruppe die Rathausstraße in Richtung Max-Josefs-Platz querte. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Großteil dieser Gruppe an den Jusos vorbeizieht und dabei „Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“ ruft. Die Situation eskaliert, als ein Teil der „Spaziergänger“ die Juso-Fahne eines der Wartenden fasst. Die Polizei spricht von drei Personen, die sich der Fahne bemächtigt und dessen Träger mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen hätten.

Der Geschädigte wiederum schildert, er sei von den Angreifern mitsamt der Fahne rund 35 Meter geschleift worden. Dies auch, weil er nicht von der Fahne ablassen wollte. Er spricht von einem kleinen Hämatom in seinem Gesicht, Verletzungen an seinen Fingern wie auch am Knie, die jedoch nicht vom Schlag ins Gesicht herrührten.

Der Geschädigte spricht im Gegensatz zur Polizei jedoch von 15 beteiligten Personen. Zwar hätten Polizisten aus der Distanz den Vorgang beobachten können, die drei beschuldigten Personen seien jedoch in der Masse verschwunden. Da am Angriff mehr als zwei Personen beteiligt waren, ermittelt die Polizei nun wegen gefährlicher Körperverletzungen gegen die bislang Unbekannten.

Oberbürgermeister Andreas März wehrt sich gegen Kritik

Mit einem offenen Brief hat sich die Hochschulgruppe der Linken – der „Linke.SDS“ – an Oberbürgermeister Andreas März gewandt. Der Studentenverband kritisiert, dass März an den Kundgebungen der Initiative „Rückenwund Gesundheitspersonal“ nicht teilnimmt. „In einer Stadt wie Rosenheim, in der die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, so niedrig ist und das Vertrauen in unsere Demokratie so gesunken ist, hätte Ihr Erscheinen als Oberbürgermeister ein wichtiges Zeichen sein können“, heißt es im Brief. März hatte sich nach vorheriger Zusage kurzfristig gegen eine Teilnahme an der Kundgebung entschieden (wir berichteten).

Der Oberbürgermeister begründete gestern sein Nein zu einer Teilnahme damit, dass sich auch extremistische Gruppen an den Demos beteiligten. „Demokraten machen sich unglaubwürdig, wenn sie zusammen mit linksextremistischen, vom Verfassungsschutz beobachteten Bündnispartnern gegen Rechtsextremismus protestieren. Umgekehrt gilt das Gleiche.“

März appellierte an alle demokratischen Kräfte, egal ob für oder gegen Impfpflicht oder Kontaktbeschränkungen, sich nicht von extremistischen Gruppen vereinnahmen zu lassen: „Deren erklärtes Ziel ist, auf diese Weise eine Legitimation für ihre eigentlichen politischen Ziele zu erhalten.“ Laut bayerischem Verfassungsschutzbericht orientiert sich der Linke.SDS ideologisch an der Lehre von Marx und plädiert in seinem Selbstverständnis für Außerparlamentarismus, Systemüberwindung und Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten.

„Wie die CSU steht auch Die Linke und ihr Studierendenverband auf demokratischem Boden. Bereits in der Präambel unserer Bundessatzung sind unsere demokratischen und pazifistischen Grundwerte verankert. Wir distanzieren uns hiermit noch einmal klar von jeglicher Gewalt“, schreibt dagegen die Studentengruppe in ihrem Brief.

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig sieht es ähnlich wie März: „Eine Demonstration ist für mich als Abgeordnete für eine sachliche und konstruktive Auseinandersetzung nicht unbedingt ein geeigneter Ort. Zumal sich hier, wie bei anderen Demonstrationen auch, Interessengruppen unterschiedlichster Richtungen versammeln und da will ich mich nicht einseitig vereinnahmen lassen.“ jek

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