Rosenheim – Das Wetter zeigt sich gnädig: Während es morgens noch ordentlich schneite, scheint jetzt die Sonne. Der kalte Wind bleibt und auf der Fußgängerbrücke über der Mangfall ist es naturgemäß zugig. Aber wer bereits 7000 Kilometer gelaufen ist, der kann sich von ein bisschen Wind nicht aufhalten lassen.
Den Großteil hat Won-Young Lee auch schon hinter sich. Die Alpen liegen noch zwischen ihm und seinem Ziel: dem Vatikan. Der 65-Jährige befindet sich seit 2017 auf einer Pilgerreise, um für eine atomkraftfreie Welt zu werben. Für den Professor für Städtebau ist Atomkraft keine sichere Energiequelle: „Atomkraft ist der Weg zur Selbstzerstörung“, erklärte er beim Pressetermin mit dem Bund Naturschutz in Rosenheim.
Lee wollte eigentlich etwas schneller sein, aber Corona hat ihn verlangsamt. In seinen ursprünglichen Planungen wollte der Südkoreaner nur drei Jahre wandern und jetzt sind es bereits fünf. Aber im August, erklärt er, werde er im Vatikan sein. Geplant hatte er Juni. Gerade verlangsamt der Winter sein Fortkommen mehr als erwartet.
Auslöser für seine Pilgerreise, auf der er mit Menschen zusammenkommen will, war, dass fünf Jahre nach Fukushima nichts passiert war. „Es bringt – global gesehen – nichts, wenn nur ein Land aus der Atomkraft aussteigt“, erklärt er auf seiner Website. Genannt hat er seine Pilgerreise nach der Seidenstraße, denn die ist ungefähr auch das Vorbild. Lee ist freilich nicht die ganze Strecke zu Fuß gegangen, aber einen Großteil.
Von Seoul aus gestartet ist er zunächst nach Fukushima und von dort gen Westen, durch einige Länder hindurch, die zu den größten Atommächten der Welt gehören. Wie China und Indien, wo er auch den Dalai Lama getroffen hat.
Deutschland, erklärte er bei seinem Besuch in Rosenheim, sei in puncto Atomkraft ein Vorreiter in der Welt. Schließlich ist der Atomausstieg nicht nur beschlossene Sache, sondern bereits weitgehend umgesetzt. Nur noch drei Meiler hängen am Netz, zum Jahresende soll auch damit Schluss sein.
Rainer Auer, der Vorsitzende der Kreisgruppe des Bund Naturschutz, der Lee auf seiner Station in Rosenheim begleitete, wies auf die Gefahren durch Lagerung und Naturkatastrophen hin.
Ob Lee Papst Franziskus im Vatikan treffen wird, weiß er noch nicht. Aber er hofft. Und was er ihn fragen wird, sagt er nicht: „Das ist ein Geheimnis“, erklärt er lachend. Thomas Stöppler