Leserforum

Eigenartiges Demokratieverständnis

von Redaktion

Zum Bericht „Stolpersteine fürs Schaufenster“, erschienen im Lokalteil:

Man kann über Stolpersteine denken, wie man will. Es gibt gute Gründe für und gegen die Verlegung der Steine auf öffentlichem Grund. Ich war 2015 bei der Anhörung im großen Rathaussaal dabei, als die unterschiedlichen Argumente hierzu vorgestellt wurden. Der damalige Stadtrat lehnte daraufhin mehrheitlich die Verlegung der Stolpersteine ab. Als Lehrerin an der Städtischen Realschule für Mädchen interessierte mich das sehr, da es auch um die Erinnerung an Elisabeth Block ging, die unsere Schule von 1937 bis 1938 besuchte, bevor sie diese verlassen musste und später deportiert und ermordet wurde.

Es gibt an der MRS keine Schülerin, die die Schule verlässt, ohne in fächerübergreifender Weise vielfach vom Leben Elisabeth Blocks erfahren zu haben. Was mich aber heute beschäftigt beziehungsweise beunruhigt, ist das „Demokratieverständnis“ der Befürworter der Stolpersteine und deren Vorgehen. Der Stadtrat hat nun zum zweiten Mal mehrheitlich ohne Fraktionszwang nach persönlicher Gewissensentscheidung die Verlegung der Stolpersteine abgelehnt zugunsten anderer Erinnerungszeichen. Die Stolpersteine waren aber bereits vor der Abstimmung angefertigt worden. So luden der Künstler und die Befürworter zur „Nicht-Verlegung“ ein. „Vielleicht klappt es irgendwann doch“, so der Künstler Gunter Demnig.

Das heißt, es geht den Befürwortern der Stolpersteine nur um diese für sie einzig mögliche Form der Erinnerung. „Die Stolpersteine werden vorerst Asyl im Schaufenster des Blumengeschäfts ,Flower power‘ finden, bis sie irgendwann doch noch ihren rechtmäßigen Platz finden“, so der Mitinitiator Nowotny. Welch ein Missverständnis von Asyl und demokratisch getroffenen Entscheidungen! Jutta Heimrath

Rosenheim

Artikel 9 von 10