Zwischen Frustration und Besorgnis

von Redaktion

Anwohner kritisieren Pläne für Innstraße – Freie Wähler/UP wollen Bebauungsplan

Rosenheim – Micro-Apartments, Gastronomie oder ein Hostel: In der Innstraße könnte sich in den kommenden Jahren einiges verändern. Doch die Meinungen über die Vorschläge gehen auseinander. Nicht nur in der Politik, sondern auch bei den Anwohnern.

Beeinträchtigung
für Nachbarschaft

Seitdem Klaus Wehner von den Plänen für die Innstraße 57 bis 59 erfahren hat, schläft er schlecht. „Ich bin frustriert und besorgt“, sagt er. Wie berichtet, sollen auf dem ehemaligen Gärtnereigelände 200 Micro-Apartments entstehen. Dabei handelt es sich um Wohnungen, die eine Größe von ab 20 bis zu 60 Quadratmeter haben und voll möbliert sind. „Diese massive Bebauung stellt eine enorme Beeinträchtigung für die umliegende Nachbarschaft dar“, sagt Wehner.

Widerspruch
mit dem Ziel der Stadt

Er selbst wohnt bereits sein „Leben lang“ an der Innstraße, hat über die Jahre zahlreiche Veränderungen miterlebt. Doch so eine, wie jetzt im Gespräch ist, will er nicht hinnehmen. Aus diesem Grund hat er – gemeinsam mit seiner Nachbarin Elke Boino Nogueira – nicht nur eine Unterschriftenaktion gestartet, sondern auch einen Brief an die Stadträte und Oberbürgermeister Andreas März (CSU) geschrieben. In diesem kritisieren sie, dass die beabsichtigte Bebauung „im eindeutigen Widerspruch mit dem angestrebten Ziel der Stadt“ steht. Statt dringend benötigten Wohnraum für Familien und Paare zu schaffen, würden „kleine Appartements für Einzelpersonen“ entstehen. Sorgen bereiten würde den beiden Anwohnern auch die mögliche Verkehrszunahme. „200 Wohnungen bedeuten 200 Fahrzeuge, die durch das Zu- und Abfahren den Verkehrsfluss der Innstraße zusätzlich belasten würden“, heißt es in dem Schreiben. Und das, obwohl die Innstraße schon jetzt unter „einem immensen Verkehrsaufkommen“ leide. Auch an der geplanten Höhe von fünf Geschossen stören sich Elke Boino Nogueira und Klaus Wehner: „Dadurch verlören die umliegenden Grundstücke an Wert und Wohnqualität. Die Sonneneinstrahlung in den Häusern und Gärten würde drastisch reduziert werden.“

Es sind Bedenken, die auch ein Anwohner und Eigentümer einer Wohnung Am Innzipfel äußert, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Ich erhebe einen deutlichen Widerspruch gegen dieses vollkommen überdimensionierte Bauvorhaben“, schreibt er in einer E-Mail an die Stadträte und das Rosenheimer Bauamt, die auch unserer Redaktion vorliegt. Ihn störe vor allem die Höhe des Vorhabens. So würden sich – mit Ausnahme des Anwesens an der Innstraße 55 – nur zwei- bis dreigeschossige Gebäude in der näheren Umgebung der alten Gärtnerei befinden. Auch er kritisiert, dass die Häuser Am Innzipfel 1, 3, 5 und 7 „einen vollkommen unzulässigen Schattenbefall auf ihrer Westseite“ erleiden würden. Des Weiteren äußert er Bedenken an der Straßenerschließung für das Bauobjekt. „Die über die Straße Am Innzipfel angedachte Zufahrt bringt erhebliche Probleme bei der Einfahrt in die Innstraße mit“, sagt der Anwohner. Auch kann er sich im Moment noch nicht vorstellen, wo die vorgeschriebenen Pkw-Stellplätze untergebracht werden sollen. „In der benachbarten Greidererstraße und Am Innzipfel besteht schon seit Jahren ein absolutes Parkchaos“, heißt es in dem Schreiben. Während er sich dafür ausspricht, dass die Stadt die vorliegende Baumaßnahme überplant, wünschen sich Elke Boino Nogueira und Klaus Wehner eine „Bebauung mit Maß und Ziel, die auch Anwohnerinteressen berücksichtigt“.

Ein erster Schritt dafür scheint zumindest getan. So haben die Freien Wähler/UP die zeitnahe Aufstellung eines Bebauungsplans für den Bereich zwischen Inn, Mangfall und Innstraße beantragt. „Im Hinblick auf den zu erwarteten Wegzug der Straßenmeisterei in der Greidererstraße eröffnen sich Möglichkeiten für eine bedeutende städtebauliche Entwicklung sowohl auf den freiwerdenden Flächen als auch im Bestand“, heißt es in dem Antrag an Oberbürgermeister Andreas März (CSU). Ziel müsse unter anderem sein, die Belange der bestehenden Gewerbebetriebe mit der bestehenden Wohnnutzung und der zu erwartenden Nutzung insbesondere für Wohnraum in Einklang zu bringen.

Verkehrliche Erschließung im Blick

„Auch die verkehrliche Erschließung bedarf einer wohlüberlegten Entwicklung“, teilen die Freien Wähler/UP in ihrem Antrag mit. Durch die Aufstellung eines Bebauungsplans könnten frühzeitig Weichen für die Entwicklung dieses Bereichs gestellt werden. „Die Entwicklung dort kann nicht den Maßstäben des Paragraph 34 des Baugesetzbuches überlassen werden“, sind die Freien Wähler überzeugt. Dieser schreibt vor, wie innerorts gebaut werden darf, wenn es keinen Bebauungsplan gibt und orientiert sich an der näheren Umgebung.

Diskussion im nächsten Ausschuss

Ob es einen Bebauungsplan für den Bereich zwischen Inn, Mangfall und Innstraße geben wird, soll sich in einem der kommenden Ausschüsse entscheiden. Bis dahin werden es für Klaus Wehner wohl noch einige unruhige Nächte.

Das sagen die Rosenheimer Fraktionsvorsitzenden zu den Plänen für die Innstraße

Robert Multrus, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler/UP: „Grundsätzlich begrüßen wir eine bauliche Entwicklung, insbesondere auch die Pläne der Diakonie, und beurteilen sie positiv. Im Hinblick auf die Anzahl der potenziellen Bauwerber und deren unterschiedliche Nutzungsinteressen halten wir eine Gesamtschau auf den gesamten Bereich bei der Entwicklung der einzelnen Projekte für unbedingt notwendig. Das Projekt der Mikrowohnungen und das dahinterstehende Konzept sind nach unserer Ansicht noch zu hinterfragen. Hier sehen wir Bedenken wegen der verkehrlichen Auswirkungen, aber auch wegen der zu erwartenden Fluktuation sowie der Lage im Stadtgebiet. Die gute Anbindung an den ÖPNV, die uns für ein derartiges Projekt wichtig erscheint, ist hier zumindest derzeit nicht gewährleistet. Besonderes Augenmerk wird bei der gesamten Entwicklung auf die verkehrliche Erschließung der einzelnen Objekte auch auf der südlichen Seite der Innstraße zu werfen sein. Zu der vor allem die Anlieger bewegenden Frage der Höhenentwicklung sehen wir entlang der Straße durchaus Potenzial nach oben. Hier wird allerdings den hinterliegenden Nutzungen durch eine entsprechende aufgelockerte und abgestufte Gestaltung Rechnung zu tragen sein. In den Überlegungen wird auch der Bestandsschutz für die in diesem Bereich vorhandenen Gewerbebetriebe einzubeziehen sein.“

Abuzar Erdogan, Fraktionsvorsitzender der SPD: „Die SPD-Fraktion begrüßt es außerordentlich, dass es Ideen und Bestrebungen zur Entwicklung der Innstraße gibt. Die Innstraße hat im Bereich zwischen der Inn- und Mangfallbrücke viel Potenzial. Die Innstraße verknüpft den Inn mit der schönen Altstadt Rosenheims. Zentrumsnähe einerseits und die Flussufer andererseits zeichnen diese Straße aus. Es braucht in der Innstraße ein Miteinander von Wohnen und nicht störendem Gewerbe wie Beherbergungsbetriebe und Gastronomie, gepaart mit einer ästhetischen Aufwertung, die längst überfällig ist.“

Andreas Kohlberger, Fraktionsvorsitzender der AfD: „Als Stadtrat und Fraktionsvorsitzender der AfD werde ich den Plänen, 200 Mikrowohnungen an der Innstraße 57 bis 59 zu errichten, auf keinen Fall zustimmen. Nicht nur, dass sich dieser Bau überhaupt nicht in das Umfeld einfügt, er ist auch noch absolut familienfeindlich und beeinträchtigt durch seine Höhe die umliegenden Gebäude in Licht und Sonneneinstrahlung. Außerdem belasten 200 weitere Autos das sowieso schon hohe Verkehrsaufkommen in der Innstraße. Rosenheim braucht nicht noch mehr Singlewohnungen, sondern familienfreundlichen und bezahlbaren Wohnraum. Bauherr und Investoren reiben sich die Hände, ein solches Bauvorhaben spült natürlich viel Geld in die verschiedenen Kassen.“

Herbert Borrmann, Fraktionsvorsitzender der CSU: „In der Innstraße gibt es einige schöne Gebäude. Viele Highlights sind weg. Und das, obwohl das Areal von der Lage her ein Traum ist. Umso wichtiger ist es, dass wir uns das gesamte Areal des Innspitzes anschauen – also auch die Flächen, wo sich im Moment noch das Staatliche Bauamt befindet. Wir können uns prinzipiell mehr Bebauung vorstellen, aber sie muss in die Struktur der Straße passen. Da geht es vor allem um die Massivität der Gebäude. Auch alles rund um das Thema Stellplätze und die Zufahrtssituation sehen wir kritisch. Da muss man sich ganz genau überlegen, wie sich das umsetzen lässt. So kann es beispielsweise nicht sein, dass durch Carsharing-Angebote Parkplätze wegfallen und die Autobesitzer dann die Straßenseite zuparken, weil sie keine anderen Möglichkeiten haben. Wichtig ist unserer Fraktion auch, dass es ein Verkehrskonzept gibt. Schon jetzt ist in der Innstraße vor allem in den Morgenstunden sehr viel los, zudem kann man an einigen Stellen nur rechts abbiegen. Vorstellbar wäre hier, die Kreuzung auszubauen. Aber auch das muss noch genauer besprochen werden.“

Peter Rutz, Fraktionsvorsitzende der Grünen: „Das Vorhaben klingt interessant. Sie planen eine Kita, Carsharing-Angebote und wollen die Dachflächen für Freizeitangebote nutzen. Wichtig ist es, sich zu überlegen, ob das Konzept der Mini-Wohnungen zu Rosenheim passt und ob wir an dieser Stelle so schnell so viele Wohnungen schaffen wollen. Auch muss man sich Gedanken machen, ob die Pläne der Bauwerber das sind, was wir uns unter Stadtentwicklung vorstellen. Fest steht, dass die Innstraße entwickelt gehört, aber wie die einzelnen Projekte ins Gesamtbild passen, darüber müssen wir uns Gedanken machen. Und dazu gehört auch die verkehrliche Erschließung des Areals.“

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