Rosenheim/München – Die Inzidenzen steigen, die Impfquote stagniert: In der Region macht sich Corona-Müdigkeit breit. Um doch noch den ein oder anderen Menschen zur Spritze gegen Corona zu motivieren, setzt München auf Impf-Guides. Eine Option, die für Rosenheim nicht infrage kommt – aus mehreren Gründen.
Respektvolles
Gespräch suchen
Seine Freizeit verbringt Alexander S. seit einigen Wochen auf der Straße. Ausgestattet mit einer neongelben Weste mit der Aufschrift „Impfguide“ und einem grauen Rucksack, gefüllt mit FFP2-Masken, Flyern und Süßigkeiten. Gemeinsam mit 14 anderen Medizinstudenten sucht der 22-Jährige, der im Vorstand der Fachschaft Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ist, das Gespräch mit den Bürgern. Er spricht mit Senioren, Hundebesitzern und jungen Müttern. Einige sind dreimal geimpft, andere halten nichts von dem Piks in den Arm.
„Es ist wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sich freundlich und respektvoll auszutauschen“, sagt Alexander S. Ihn interessieren vor allem die Beweggründe, warum sich seine Gegenüber bisher gegen eine Impfung entschieden haben. Im Gespräch versucht er – neben den Informationen über die Impfung – über „falsche Wahrheiten“ aufzuklären, Ängste zu nehmen und Sorgen abzubauen. Bei einigen sei er erfolgreich, bei anderen ernte er nur ein Kopfschütteln.
„Wir wissen, dass wir alleine durch unsere Aktion die Impfzentren nicht vollständig auslasten werden“, sagt er. Aber ihm sei auch bewusst, dass jedes Gespräch, jeder Denkanstoß und jede daraus resultierende Impfung wichtig sei.
Seit einigen Wochen sind Alexander S. und seine Mitstreiter bereits in den Stadtvierteln unterwegs, in denen die Impfbereitschaft gering ist. „Die Projektidee geht zurück auf eine Initiative aus dem Stadtrat, die Übertragung des erfolgreichen Bremer Modells zu prüfen“, teilt eine Sprecherin des Münchener Gesundheitsreferates mit. Gleichzeitig sei die Fachschaft Medizin der LMU an das Gesundheitsreferat mit dem Anliegen herangetreten, gemeinsam die Anstrengungen zu verstärken, damit die Impfbereitschaft in München erhöht werde. Daraus entstanden sei das Projekt „Impf-Guides für München“, das in Kooperation zwischen dem Gesundheitsreferat, dem LMU-Klinikum sowie der Fachschaft Medizin der LMU durchgeführt wird.
Gemeinsam mit dem Gesundheitsreferat bereiten die Impf-Guides einzelne Impfaktionen vor und kontaktieren die Einrichtungen im Stadtteil. An den Tagen davor und während der Impfaktion sind die Streetworker in den ausgewählten Stadtbezirken unterwegs, sprechen die Bewohner an und unterstützen während der Impftage beispielsweise beim Ausfüllen von Formularen oder bei der Durchführung eines Gesundheits-Checks. „Die ersten Wochen sind sehr gut angelaufen“, teilt eine Sprecherin des Gesundheitsreferats mit.
Für Irmgard Oppenrieder, Vorsitzende des Rosenheimer Seniorenbeirats, Grund genug, die Impf-Guides auch nach Rosenheim zu holen. „Das Impfen muss wieder in den Vordergrund gerückt werden“, sagt sie. Auch weil man es der jüngeren Generation schuldig sei. „Die Jugendlichen mussten während der Pandemie viel zurückstecken und haben das klaglos getan“, sagt die Vorsitzende. Jetzt sei es an den Senioren, Rücksicht auf die jüngere Generation zu nehmen. Aus diesem Grund hat sich Oppenrieder vor einigen Tagen zum vierten Mal impfen lassen und appelliert an ihre Altersgenossen, es ihr gleich zu tun.
Die Stadt Rosenheim verfolgt währenddessen weiterhin das Ziel eines niederschwelligen Impfangebots. „Daher werden im gemeinsamen Impfzentrum von Stadt und Landkreis mittlerweile Beratungsteams abgestellt, um die Bürger ausführlich über die Impfung aufzuklären“, heißt es aus dem Rathaus. Zudem könnte man den Piks in den Arm im Impfzentrum auf der Loretowiese auch ohne Termin erhalten. Neben der Öffentlichkeitsarbeit setze die Stadt zudem auf Plakatkampagnen.
Impf-Guides, wie es sie in München gibt, kommen für Rosenheim nicht infrage. „Bereits die Akquise von Zensusbeauftragten zeigt, dass es in Rosenheim derzeit äußerst schwierig ist, für derartige Aufgaben geeignetes Personal zu finden“, teilt die Verwaltung mit. Zudem sehe die Stadt keinen Nutzen darin, „undifferenziert Menschen anzusprechen und sie auf die Impfangebote hinzuweisen“.
Zweifel an
der Wirksamkeit
Entscheidend ist laut Stadtverwaltung im Moment, die Impfquote der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu steigern. „Die Impfquote in der Ukraine liegt bisher bei 34,5 Prozent“, heißt es aus dem Rathaus. Dabei seien hauptsächlich der russische Impfstoff Sputnik V und das chinesische Vakzin Sinovac verabreicht worden. „Wissenschaftler hatten in der Vergangenheit immer wieder Zweifel an der Wirksamkeit der Impfstoffe geäußert und sie sind in der EU nicht zugelassen“ teilt die Verwaltung mit.