Rosenheim – Ulrich Wickert ist einer der bekanntesten Journalisten Deutschlands. Jetzt war der ehemalige „Mister Tagesthemen“ zu Besuch in der Buchhandlung „Rupprecht“ – nicht nur, um seine Bücher vorzustellen, sondern auch um über Emmanuel Macron, Olaf Scholz und Annalena Baerbock zu sprechen.
Erstes Treffen
im Herbst 2015
Ulrich Wickerts Herz liegt in Frankreich begraben. Das sagt er gleich zu Beginn der Veranstaltung. In Deutschlands größtem Nachbarland hat er jahrelang als Auslandskorrespondent der ARD gearbeitet und über den Niedergang der Wirtschaft, Skandale sowie den Aufstieg der Front National berichtet. Zwar hat er vor 16 Jahren zum letzten Mal eine Nachrichtensendung moderiert, von der Bildfläche verschwunden ist er allerdings nie. „Ich freue mich, dass Emmanuel Macron wiedergewählt wurde“, sagt er, während er durch sein Buch „Mein Paris“ blättert.
Im September 2015 habe er Macron, der damals Wirtschaftsminister war, zum ersten Mal in Hamburg getroffen. Sie hätten gemeinsam Mittag gegessen, sich ganz offen über Frankreich unterhalten. „Er war sehr sympathisch“, erinnert sich Wickert. Zwei Jahre später gewinnt Macron die Wahl zum Präsidenten deutlich mit 66,1 Prozent. „Er ist ein guter Präsident“, sagt Wickert. So habe es der Franzose geschafft, dass die Wirtschaft geboomt und die Arbeitslosenzahlen gesunken sind. Auch hätte sich Macron dafür eingesetzt, dass die Kinderzahl in vielen Schulklassen halbiert wird. „Corona hat ihn in vielen Dingen blockiert“, ist sich der Journalist sicher.
Man müsse auch anerkennen, dass der Sieg am Sonntag kein kleiner gewesen sei. „Er hatte acht Millionen Stimmen mehr als Marine Le Pen“, sagt Wickert. Das Grundproblem ist in seinen Augen, dass Frankreich zentralistisch aufgebaut ist. Der Unterschied zwischen Stadt und Land sei nach wie vor sehr groß. Paris sei das „Zentrum der Entscheidung“ und diejenigen, die damit nicht einverstanden und gegen die französische Hauptstadt seien, hätten für Le Pen gestimmt. Umso erfreulicher sei es, dass Macron für weitere fünf Jahre gewählt wurde.
Aber es sind nicht nur die Franzosen, mit denen sich Ulrich Wickert in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt hat. Er kennt Bundeskanzler Olaf Scholz, hat schon des Öfteren mit Robert Habeck und Annalena Baerbock diskutiert. „Wir haben eine gute Regierung und einen guten Kanzler“, sagt der Journalist. Scholz sei in seinen Augen jemand, der zwar schlecht im Kommunizieren sei, aber nicht schlecht im Denken. „Er sagt erst etwas, wenn es entschieden ist“, sagt Wickert.
Während der rund zweistündigen Veranstaltung drehte sich ein Großteil zudem um Werte, Normen, Pflicht und Moral. Bereits 1994 hat der Journalist das Buch „Der Ehrliche ist der Dumme“ geschrieben, in dem er sich unter anderem damit beschäftigt, warum politisches und gesellschaftliches Handeln häufig nicht von moralischem Wollen geleitet wird. Im Kontext der politischen Entwicklungen und der Einschränkungen, durch die Pandemie, habe er noch einmal neu über Begriffe wie Pflicht und Verantwortungsbewusstsein nachgedacht. „Es ist dringend notwendig, dass ethische Regeln wieder unser Zusammenleben bestimmen“, appelliert er.