Rosenheim – Es ist 8 Uhr morgens und zwei Frauen sitzen bereits jetzt auf dem schmalen Fensterbrett vor der Rosenheimer Tafel. Und das, obwohl die Ausgabe der Lebensmittel erst um 10 Uhr beginnt und die Sitzmöglichkeit unbequem erscheint. „Wenn ich einen Aufenthaltsraum hätte, würde ich die beiden jetzt hereinbitten und mir ihre Sorgen anhören“ sagt Elisabeth Bartl, Leiterin der Tafel der Diakonie. Einen solchen Raum hat sie jedoch nicht.
Zu wenig Platz
für die Lebensmittel
Die Räume, die ihr für die Tafel in der Tannenbergstraße in Rosenheim zur Verfügung stehen, reichen weder für eine geordnete Lebensmittelausgabe, noch für einen Rückzugsort für private Gespräche. Und genau darin liegt Bartl zufolge das Problem – nach der Flüchtlingswelle und Lebensmittelknappheit geht den Tafeln der Platz aus.
„Wir platzen aus allen Nähten“, sagt Bartl. Zur Zeit könne sie einen Ausgaberaum mit wenigen Quadratmetern und zwei Nebenräume nutzen, die als Lager und Aufenthaltsraum dienen. In diesen Räumen müssen eine Küchennische, Lagerflächen, sowie mehrere Kühl- und Gefrierschränke, Platz finden. Ein „Ding der Unmöglichkeit“, wenn es nach Bartl geht.
Als die Tafel in das Haus gezogen ist, habe sie nur 30 „Kunden“ pro Tag versorgen müssen. „Das war machbar“, sagt Bartl. Inzwischen sei die Zahl der Bedürftigen aber auf 140 angestiegen. Grund dafür sei die Ankunft der Geflüchteten aus der Ukraine. „Allein dadurch hat sich die Zahl an bedürftigen Menschen verdoppelt“, stellt Bartl fest.
Aber auch Menschen, die sich durch die aktuellen Lebensmittelpreise einschränken müssten, kämen jetzt wieder vermehrt. „Manche hat man seit drei oder vier Jahren nicht mehr gesehen“, sagt Sebastian Kurz, Geschäftsbereichsleiter der Diakonie. Die hohe Inflation führe dazu, dass wieder mehr Menschen in finanzielle Nöte kommen. So hätte die Tafel rund 1000 Bedürftige im Stadtgebiet mit Lebensmitteln zu versorgen.
Um diese Bürger möglichst oft satt zubekommen, brauche die Einrichtung entsprechend viele Lebensmittel. Diese müssten auch irgendwo gelagert werden. „Manchmal kann ich keine Lebensmittel mehr annehmen, weil ich nicht weiß wohin damit“, sagt Bartl. Ausgeben könne sie mehr, allerdings stapeln sich die grünen Boxen mit Gemüse, Obst und Süßigkeiten bis unter die Decke – selbst im Aufenthaltsraum der Mitarbeiter. So müsse die ein oder andere Kaffeepause im Stehen stattfinden, da kein Platz zum Hinsetzen sei.
Der fehlende Raum beeinflusse auch die Anzahl der Helfer. „Wir könnten zwei oder drei Ehrenamtliche mehr beschäftigen“, sagt Kurz. Mit zusätzlichen Mitarbeitern würde die Ausgabe der Lebensmittel schneller gehen. Das hätte laut Bartl den positiven Effekt, dass die Bedürftigen nicht stundenlang, ohne Sitzgelegenheit, bei großer Hitze oder strömenden Regen in einer Schlange vor der Tür warten müssten.
„Aber wenn ich mehr Leute einsetze, stehen wir uns auf den Füßen herum und es geht auch nicht schneller“, sagt Bartl. Deshalb hätte sie bereits einigen interessierten Helfern absagen müssen. Und das, obwohl eigentlich ein riesiger Bedarf an Ehrenamtlichen bestehe.
In den „beengten Räumen der Tannenbergstraße“ werde es ohnehin immer schwieriger, die Vorgaben des Ordnungsamts einzuhalten. Das betreffe insbesondere die Kühlkette, die eingehalten werden müsse. Es gehe schließlich um verderbliche Lebensmittel. „Auch die Hygienevorschriften müssen in einem alten Gebäude entsprechend aufwendiger umgesetzt werden“, sagt Bartl. Das sei nicht einfach, wenn „alles bis oben hin vollgestellt ist.“
Die gleichen Probleme hat auch die Rosenheimer Leibspeise in der Leiblstraße. „Die Anzahl der Bedürftigen wächst, der Platz bleibt gleich“, erklärt Leiter Peter Kaiser. Deswegen ist er auf der Suche nach neuen Räumen. Das sei schwierig, da die Miete über Spenden finanzieren werde. Deshalb würde er auch eine Lagerhalle nehmen, die einen Büroraum bietet und öffentlich gut zu erreichen ist. Idealerweise sollte sie auch eine Rampe für die Lieferwagen haben. „Das würde schon reichen“, sagt Kaiser.
Bartls´s Traum wäre ein leer stehendes Gasthaus. „Da würde es eine richtige Küche geben. Und jede Menge Platz für alle Bedürfnisse, auch die sozialen“, sagt Bartl. Nehmen würde sie aber alles, was mehr Platz als die jetzigen Räume bietet. „Vielleicht gibt es ja jemanden, der etwas Passendes kennt und uns das für kleines Geld oder Spenden überlässt.“