Kolbermoor – Tinder, Eliteparnter, Parship. In der heutigen Zeit gibt es endlose Möglichkeiten, einen Partner oder eine Partnerin über das Internet kennenzulernen. Dabei ist es viel wahrscheinlicher, den Traummann oder die Traumfrau im „wahren Leben“ zu finden, meint zumindest Dr. Anne Dreesbach (50). Die Autorin und Verlegerin aus München war an diesem Freitag (20. Mai) zu Gast in der Stadtbücherei Kolbermoor, um über ihr Buch „Liebe lieber analog – 99 Offline-Dating-Ideen“ zu sprechen. Im Interview erzählt sie, wie und wo das Kennenlernen im klassischen Sinne stattfinden kann.
Frau Dr. Dreesbach
wieso beschäftigt Sie das Thema Online – beziehungsweise OfflineDating überhaupt?
Nach dem Ende meiner Ehe war ich selbst Single und fand mich irgendwann im Dschungel der Online-Dating-Plattformen wieder. Dort habe ich zwar nette Menschen kennengelernt, aber es kam mir auch aussichtslos vor. Vor lauter Durchklicken und zur Seite Wischen blieb im Kopf immer ein Zweifel. Kommt vielleicht noch etwas Besseres?
Was sagt es über die
Gesellschaft aus, dass
das Kennenlernen
immer mehr ins Internet verlagert wird?
Ich glaube, in Deutschland haben wir es verlernt, mit jemandem locker ins Gespräch zu kommen. Das ist mir gerade erst wieder im Italienurlaub aufgefallen, als das deutlich einfacher klappte. Beispielsweise nach der MeToo-Debatte wissen Männer hier oft gar nicht mehr, was sie einer Frau überhaupt sagen dürfen. Ein Kompliment kann oft schon falsch verstanden werden. Das Online-Dating verspricht da natürlich eine gewisse Sicherheit, da man dort weiß, dass auch die anderen nach einer Partnerin oder einem Partner suchen. Das weiß man auf einer Party nicht automatisch.
Warum hat das Kennenlernen im wahren Leben dennoch Vorteile?
Weil man da eine Person eher in seiner natürlichen Lebensumgebung, etwa im Beruf, im Studium oder in seiner Freizeit, sieht. So kann man schneller abschätzen, wer zu mir passt und wer nicht. Nehmen wir beispielsweise die Dating-Plattform Tinder: Dort ist gefühlt jeder sportlich, fährt gerne Fahrrad und wandert in den Bergen. Natürlich will sich jeder positiv darstellen. Aber so ist es schwer, den Richtigen oder die Richtige zu erkennen. Denn der größte Fehler ist es, nur nach Äußerlichkeiten zu gehen.
Spielen Äußerlichkeiten beim analogen Kennenlernen denn keine Rolle?
Doch, aber man kann dort auch mit anderen Stärken punkten, etwa mit seinem Charme oder seinem Humor. Es spricht nichts dagegen, sich auch auf den Online-Portalen umzusehen. Beschränkt man sich jedoch darauf, dann sehe ich, droht eine Gefahr in dem Suchtpotenzial, in einer Spielautomaten-Situation. Denn diese Plattformen suggerieren eine Pseudoverfügbarkeit von unzähligen möglichen Partnern. Dabei wäre es sinnvoll, sich auch mal unter den Menschen umzusehen, die es bereits im eigenen Bekanntenkreis gibt.
Welche Tipps geben Sie Menschen, die analog einen Partner kennenlernen möchten?
Sehr hilfreich finde ich alle Arten von Kursen. Wer etwa einen Italienisch-Kurs belegt, der sieht andere Menschen über einen längeren Zeitraum und man lernt sich kennen. Hilfreich kann es zudem sein, seine Freunde gezielt anzuzapfen und zu sagen: Leute, ich bin auf der Suche, wer kennt jemanden? Außerdem könnte man anfangen, in der Bahn sein Handy wegzulegen und sich die Mitmenschen anzusehen. Dadurch, dass jeder in seinen Bildschirm starrt, hat man kaum die Möglichkeit, jemanden anzulächeln.
Jemanden anzusprechen, kostet aber doch Überwindung.
Das ist meines Erachtens auch Übungssache. Wer schon etwas älter ist und wieder einen Partner sucht, der ist natürlich völlig aus der Übung. Es ist wichtig, wieder reinzukommen. Ein Ziel kann zunächst sein, überhaupt mal mit Menschen ins Gespräch zu kommen, auch ohne Hintergedanken. Alleine das kann schon helfen. Dabei tun sich ältere Menschen ohnehin leichter, da sie anders sozialisiert wurden. Ich habe das Gefühl, dass jüngere Männer und Frauen viel größere Schwierigkeiten haben, überhaupt mit Fremden ins Gespräch zu kommen.
Interview: Nicolas Bettinger