Führerschein gegen ÖPNV-Ticket

von Redaktion

Stadt will Vorschlag der Grünen prüfen – Braucht es einen Fahrtest für Senioren?

Rosenheim – Senioren, die ihren Führerschein freiwillig abgeben, sollen künftig eine Jahreskarte für den ÖPNV bekommen. Das haben Grüne und ÖDP in einem Antrag an Oberbürgermeister Andreas März (CSU) gefordert. Doch die Verwaltung steht dem Vorschlag eher verhalten gegenüber. Prüfen will sie ihn trotzdem.

Fitness-Check
in Rosenheim

Wenn es nach Uwe Hanschmann geht, sollten Fahrtauglichkeitstests für Senioren Pflicht sein. Seit 1998 arbeitet er als Fahrlehrer, betreibt die gleichnamige Fahrschule in der Äußeren Münchner Straße in Rosenheim. Dort gibt es seit zehn Jahren die Möglichkeit für ältere Menschen, einen Fahr-Fitness-Check zu absolvieren. „Das hat der ADAC ins Leben gerufen“, sagt Hanschmann. Er und seine Mitarbeiter hätten sich damals sofort bereit erklärt, das Angebot nach Rosenheim zu holen und sogar eine Schulung absolviert.

Seitdem sei der Fahr-Fitness-Check jedoch eher schleppend angelaufen. „Er wird nur gelegentlich genutzt. Und wenn, dann kommen diejenigen, bei denen ohnehin alles passt“, sagt Hanschmann. Warum das so ist, kann der Fahrlehrer nur vermuten: „Ich glaube, viele haben Angst, vor einem negativen Ergebnis.“ Doch selbst ein schlechtes Abschneiden bei dem Fahr-Fitness-Check hätte keinerlei Konsequenzen für die Teilnehmer. „Wir haben keine Rechtsgrundlage jemanden den Führerschein zu entziehen“, sagt Hanschmann.

Schulterblick fällt
immer schwerer

Aber der Fahrlehrer weiß eben auch, dass Augen und Ohren im Alter schlechter werden, der Schulterblick immer schwerer fällt und die Reaktionsgeschwindigkeit nachlässt. Das wiederum führt zu Unfällen, was ein Blick auf die Unfallstatistik der Polizei bestätigt. So hat es in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 5067 Verkehrsunfälle im Stadtgebiet gegeben. An 739 davon waren Menschen beteiligt, die über 60 Jahre alt sind. Vier davon endeten tödlich.

Ob ein Fahrtauglichkeitstest Unfälle wie diese tatsächlich minimieren beziehungsweise verhindern könnte, darüber lässt sich nur spekulieren. Dennoch wäre es laut Uwe Hanschmann sinnvoll: „Lkw-Fahrer ab 50 Jahre müssen alle fünf Jahre eine Fahrtauglichkeitsuntersuchung machen. Gleiches gilt für Fahrlehrer. Ich würde mir wünschen, dass es auch für Senioren Pflicht wird.“

Weil diese Forderung – zumindest in naher Zukunft – nicht umgesetzt wird, setzen bayerische Städte auf eine Alternative: Sie schaffen Anreize für Senioren, die sie ermuntern sollen, ihren Führerschein freiwillig zurückzugeben. Im Tausch gegen ein ÖPNV-Jahresticket.

Was in Städten wie Landshut, Augsburg und der Gemeinde Kumhausen bereits praktiziert wird, soll auch nach Rosenheim kommen. Jedenfalls wenn es nach den Grünen und ÖDP-Stadtrat Horst Halser geht. Wie berichtet, hatten sie gefordert, dass die Verwaltung die Möglichkeit prüft, bei freiwilliger alters- oder gesundheitsbedingter Führerscheinrückgabe ein kostenloses ÖPNV-Jahresticket für den Fahrgast anzubieten.

„Ich persönlich bin von der Idee nicht überzeugt“, sagte Oberbürgermeister Andreas März während der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses. Dennoch schlug er vor, sich bei anderen Kommunen zu erkundigen, um auch die finanzielle Belastung des Angebots besser abschätzen zu können.

Mobilität soll
erhalten bleiben

„Für mich ist das eine Hinhaltetaktik“, kritisierte Stadtrat Franz Lukas (Grüne). So hätten andere Städte bereits gezeigt, dass es funktioniert. „Wenn Senioren ihren Führerschein abgeben wollen, können sie es machen. Warum braucht es dafür eine ÖPNV-Jahreskarte?“, hinterfragte März. Abuzar Erdogan, Fraktionsvorsitzender der SPD, erinnerte den Oberbürgermeister daran, dass Senioren, die jahrelang Auto gefahren sind, auch weiterhin mobil sein wollen. Eine Jahreskarte für den ÖPNV sei ein erster Schritt. „Es ist ein zusätzlicher Anreiz für Senioren und die Möglichkeit für uns, ein Zeichen zu setzen“, sagte Herbert Borrmann, Fraktionsvorsitzender der CSU.

Ergebnisse kurz
nach Sommerpause

Robert Multrus, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler/UP sagte, dass er die Idee „im Grundsatz nicht schlecht findet“. Er hinterfragte jedoch, ab welchem Alter man ein Senior sei und ob das Ticket nur für den Stadtverkehr gelte oder landkreisweit. Ohne Gegenstimme einigten sich die Stadträte darauf, dass die Verwaltung die offenen Fragen klärt und Erfahrungsberichte aus anderen Kommunen einholt. Kurz nach der Sommerpause sollen die Ergebnisse vorgestellt werden.

Das sagt Franz Wölfl, Vorsitzender der Landesseniorenvertretung:

Raus aus dem Auto, rein in den Bus: Der Vorschlag von den Rosenheimer Grünen und ÖDP-Stadtrat Horst Halser, Anreize für Senioren für eine Führerscheinrückgabe zu schaffen, wird auch von der Landesseniorenvertretung begrüßt. Das bestätigt deren Vorsitzender Franz Wölfl auf Nachfrage. Maßgeblich dafür seien vor allem zwei Gründe. Zum einen diene die Rückgabe des Führerscheins dem Schutz der Umwelt, zum anderen helfe es vielen Älteren, die sich ab einem gewissen Alter beim Autofahren zunehmend unsicher fühlen. „Autofahrer im Alter von 70 Jahren brauchen durchschnittlich circa 40 Prozent mehr Zeit als 30-Jährige, um entscheiden zu können, wie sie sich auf einer Kreuzung einordnen“, sagt er. Und doch weiß der Vorsitzende, dass das Angebot, den Führerschein einzutauschen, nur sporadisch angenommen wird. „Ältere – vor allem Männer – fühlen sich durch die Abgabe des Führerscheins in ihrem Selbstwertgefühl beeinträchtigt. Sie glauben, ein Stück Selbstständigkeit zu verlieren“, vermutet Wölfl. Zum anderen seien viele ältere Menschen auf das Auto angewiesen, gerade dann, wenn die Ausstattung des ÖPNV „zu wünschen übrig lasse“. Der aber wohl entscheidendste Punkt ist für Wölfl, dass die Rückgabe des Führerscheins bedeutet, dass er „ein für alle Mal weg ist“. „Es bringt nichts, wenn ich den ÖPNV nur für eine begrenzte Zeit kostenlos nutzen kann“, sagt der Vorsitzende. Denn nach dem Jahr würden viele Senioren nicht nur ohne Führerschein dastehen, sondern auch ohne das kostenlose ÖPNV-Jahresticket. „Natürlich würde man dann anfangen zu grübeln, ob es die richtige Entscheidung war, den Führerschein abzugeben“, sagt Wölfl. Aus diesem Grund fordert die Landesseniorenvertretung, dass die unentgeltliche Benutzung des ÖPNV nach Führerscheinrückgabe auf unbegrenzte Zeit garantiert werden muss. „Bezüglich der dadurch entstehenden finanziellen Aufwendungen aufseiten der Kommunen ist der Freistaat Bayern gefordert. Er ist gehalten, die Kommunen finanziell zu unterstützen“, unterstreicht der Vorsitzende. Übrigens: Ob Franz Wölfl das Angebot selber nutzen würde, kann er pauschal nicht beantworten: „Ich habe kein Auto und habe ein solches auch noch nie besessen. Ich fahre mit dem Rad, benutze den ÖPNV und wenn alle Stricke reißen, leiste ich mir ein Taxi. Das alles gilt auch für meine Frau.“

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