Über ein aussterbendes Hobby

von Redaktion

Paul Hafen und Anton Heimrath sammeln seit mehr als 50 Jahren Briefmarken

Rosenheim/Rott – Briefmarkensammeln ist ein Hobby, das vom Aussterben bedroht ist. Nur wenige Menschen interessieren sich heute noch für die Feinheiten der Philatelie. Paul Hafen, Anton Heimrath und Franz Schellmoser zum Beispiel haben es die kleinen gezackten Vierecke besonders angetan.

Die Corona-Pandemie hatte für Anton Heimrath auch etwas Gutes. „Ich bin endlich mal dazu gekommen, einen Großteil meiner Briefmarken zu sortieren“, sagt er. Er sitzt auf einem alten Ledersessel in seinem Wohnzimmer. Hinter ihm erstreckt sich eine Bücherwand, vor ihm auf dem Glastisch liegen gleich mehrere schwarze Alben. Mehr als 50 davon gibt es bei ihm zuhause. In ihnen stecken mehrere zehntausend Briefmarken. „Ich bin da durch meinen Onkel reingerutscht“, sagt Heimrath.

Ein Faible für die
Geschichte dahinter

Schon als kleiner Bub hätten ihn die kleinen, gezackten Vierecke fasziniert. Besonders die Europa-Marken – also jene die seit 1956 von europäischen Ländern, beziehungsweise deren Postverwaltung herausgegeben wurden. Auf den Marken zu sehen ist ein gemeinsames Motiv oder ein Thema mit europäischen Bezug. Da wäre beispielsweise die Marke, die das Wort Europa senkrecht in einem Stahlgerüst zeigt, oder auf der ein großes „E“ zu sehen ist, auf dem eine Taube sitzt.

Kleine Staaten
bessern Etat auf

Anton Heimrath blättert durch die Seiten. Ab und zu hält er inne, zeigt auf eine Marke, die ihm besonders gut gefällt. Und dabei ist das Aussehen für ihn nebensächlich. „Die Geschichte hinter den Marken ist für mich das Spannende“, sagt er. Er weiß, dass es zu Beginn gerade einmal EuropaBriefmarken aus 20 Staaten gab, erzählt dass es mittlerweile weit über 50 sind. „Die kleinen Staaten haben damit ihren Etat aufgebessert“, sagt Heimrath.

Er schließt das Album, klappt das nächste auf und zeigt auf die Briefmarken aus dem Vatikan. Sie erinnern unter anderen an den 700. Todestag des Dichters Dante Alighieri, die Gründung der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ vor 100 Jahren oder das 300-jährige Bestehen des Passionisten-Ordens.

Einen Großteil der Marken hat Heimrath von seinem Onkel übernommen, einen anderen Teil über den Rosenheimer Philatelistenverein – in dem er seit 50 Jahren Mitglied ist – bestellt. Früher habe er zudem Marken zugeschickt bekommen. Von seinem guten Freund aus Ecuador oder der Tante, die in Amerika gelebt hat.

Mittlerweile hat er schon das nächste Album geöffnet, zeigt auf einige Marken und auf denen Papst Benedikt XVI oder Papst Johannes Paul II zu sehen sind. Einige stecken hinter Klarsichtfolie, andere sind auf Papier geklebt. „Ungestempelte Exemplare, die nicht aufgeklebt sind, sind natürlich mehr wert“, sagt Heimrath.

Aber er betreibe sein Hobby nicht des Geldes wegen. Vielmehr ist es der Spaß an der Sache, die Freude darüber eine Marke in den Händen zu halten, die ein Stück Zeitgeschichte wiedergibt.

Es sind Gründe, die auch den Rotter Paul Hafen dazu bewogen haben, Briefmarken zu sammeln. „Auch ich habe die Leidenschaft von meinem Onkel übernommen“, sagt er. Kurz denkt er nach, blickt sich im Wohnzimmer seines Schulfreundes Anton Heimrath um. „Am Schluss war es mehr ein Leiden“, sagt er. Denn das Briefmarkensammeln nehme viel Zeit in Anspruch. Und dabei habe er es noch nicht einmal „wissenschaftlich betrieben“, wie er sagt. Einen Großteil seiner Marken habe er in Kisten gelagert. „Ich habe hauptsächlich Marken mit Pferden und Polizeisymbolen gesammelt“, sagt er. Fast alle hat er mittlerweile an Anton Heimrath übergeben – bis auf eine Postkarte.

Auf dieser zu sehen sind drei Stempel von der Ministerpräsidentenkonferenz am 8. Juni 1947 in München. Dazu drei Briefmarken mit dem Gesicht von Heinrich von Stephan, jenem Visionär, der die Deutsche Post im Zuge der deutschen Reichsgründung Mitte des 19. Jahrhunderts einte. „Im Stempelaufdruck steht der Anlass dieser Sonderausgabe ‚Zur Überwindung der deutschen Not‘. Das ist deshalb so bemerkenswert, weil vor 75 Jahren große Not in Deutschland herrschte“, sagt Anton Heimrath.

Verein plagen
Nachwuchssorgen

Gerne erinnern sich die beiden Männer an die Zeit zurück, als sie während der Schulzeit Briefmarken gesammelt haben. „Mittlerweile ist so etwas gar nicht mehr vorstellbar“, sagt Hafen. Auch das sei ein Grund dafür, warum das Briefmarkensammeln immer mehr in Vergessenheit gerate. „Immer weniger Menschen schreibe heutzutage noch Briefe“, sagt er. Zudem fehle der Nachwuchs. Zwar habe Heimrath das Glück, das sich sein Sohn ebenfalls für das Sammeln interessiere, aber die meisten Philatelisten haben niemanden, an den sie ihre Leidenschaft weitergeben können.

Nur noch
115 Mitglieder

Das bestätigt Franz Schellmoser, Vorsitzender des Philatelistenvereins. „Wenn ältere Sammler sterben, haben die Jungen meist kein Interesse“, sagt er. Aus diesem Grund habe der Verein auch nur noch 115 Mitglieder – deutlich weniger als noch vor einigen Jahren. Schellmoser hofft, dass sich das irgendwann wieder ändert. „Das Sammeln von Briefmarken ist ein sehr schönes Hobby. Es hat mich über die Corona-Krise gerettet“, sagt er.

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