Grundstücksverkauf mit Beigeschmack

von Redaktion

Stadtrat ist neuer Besitzer einer Fläche an der Pürstlingstraße – Kritik an Vorgehen

Rosenheim – Bauland in Rosenheim ist rar. Umso beliebter sind Grundstücke, die zum Verkauf stehen. Wie beispielsweise eine 1188 Quadratmeter große Fläche an der Pürstlingstraße. Die hat die Stadt jetzt während einer nichtöffentlichen Sitzung an einen Stadtrat verkauft – und erntet dafür Kritik.

Dringender
Gesprächsbedarf

Robert Färber ist jemand, der den Mund aufmacht, wenn ihm etwas nicht passt. „Schweigen bringt nichts“, sagt er. Er wohnt an der Bozener Straße und betreibt die Firma „Waterplus“ in der Oberaustraße. Doch an diesem Vormittag geht es weder um seine Firma, noch um sein Haus. Er will reden. Über die Fläche an der Pürstlingstraße, auf der er gerne eine Lagerhalle errichtet hätte – wenn er denn von dem Verkauf der Fläche gewusst hätte. An besagter Stelle standen bis vor wenigen Wochen noch sechs Garagen. Errichtet von Hans Fritz, der das Grundstück von der Stadt gepachtet hatte. Die hatte es 2011 von der Firma „Aurelis Real Estate“ erworben.

Pachtvertrag ohne
Grund gekündigt?

Weil Hans Fritz selbst an dem Gespräch nicht teilnehmen kann, vertritt ihn sein Bruder Max. „Ende Dezember hat die Stadt meinem Bruder den Vertrag gekündigt“, erinnert er sich. Eine Begründung habe es nicht gegeben. Die Stadt sagt auf Nachfrage, dass der Pachtvertrag fristgerecht gekündigt worden sei. Mittlerweile ist das Grundstück verkauft – und zwar an den Grünen-Stadtrat Franz Lukas. Während einer nichtöffentlichen Sitzung. Und genau hier fangen die Probleme an. Jedenfalls laut Robert Färber.

In einem Schreiben an Oberbürgermeister Andreas März – das der Redaktion vorliegt – hat er seinem Unmut Luft gemacht. „Anstatt den Verkauf öffentlich durchzuführen, wurde es ohne weitere Bemühungen an den Stadtrat der Grünen verkauft, welcher aufgrund seiner besseren Position von dem Verkauf wusste und ohne Bietverfahren den ‚Sachverständigen-Preis‘ zahlte“, heißt es in der E-Mail.

Doch rechtlich gesehen, hat die Stadt nichts falsch gemacht. Das bestätigt Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag. „Jede Stadt oder Gemeinde hat einen Beurteilungsspielraum, ob sie in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung entscheidet“, sagt er. Regelmäßig komme es vor, dass städtische Käufe oder Verkäufe in nichtöffentlicher Sitzung diskutiert und entschieden werden. „Es geht um die Position der Stadt als Käuferin oder Verkäuferin. Da will sie ihre Position nicht verschlechtern, wenn der Kaufpreis verhandelt wird“, begründet Schober.

Ein öffentliches Bieterverfahren macht in seinen Augen nur dann Sinn, wenn man sich mit dem potenziellen Käufer über die Vertragsinhalte einig ist. Und auch der Verkauf an einen Stadtrat stelle kein Problem dar. Denn dieser ist Schober zufolge durch seine Stellung als Mitglied des Stadtrats „nicht besser oder schlechter zu stellen wie jeder andere Bürger“.

Um sicherzustellen, dass die Fläche an der Pürstlingstraße nicht unter Wert verkauft wurde, hat die Stadt – so teilt es ein Sprecher auf Nachfrage mit – den Wert des Grundstücks von einem öffentlich bestellten Sachverständigen feststellen lassen. Die Verwaltung verweist in diesem Zusammenhang auf Artikel 75 der Bayerischen Gemeindeordnung. Er beinhaltet, dass eine Gemeinde Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert veräußern darf. „Das war hier der Fall“, heißt es aus dem Rathaus.

Zu welchem Betrag die Stadt das Grundstück verkauft hat, will sie offiziell nicht sagen. Aus gut informierten Kreisen heißt es jedoch, dass der Wert bei 165000 Euro liegen soll. Zudem ist bekannt, dass es zwei Kaufangebote gegeben hat – die beide über dem Wert lagen, den der Sachverständige festgestellt hat. Ein Angebot kam von Franz Lukas. Das andere von Hans Fritz. Weil Lukas mehr geboten hat, sprachen sich die Stadträte dafür aus, dessen Angebot zu berücksichtigen. „Das bietende Mitglied des Stadtrats ist nicht stimmberechtigt und muss zur Abstimmung den Saal verlassen“, teilt die Stadt mit. Verständnis für das Vorgehen hat Hans Fritz dennoch nicht. „Hätte ich gewusst, dass Herr Lukas mehr geboten hat, hätte ich ihn überboten“, sagt er am Telefon.

Doch auch hierzu ist die Stadt nicht verpflichtet, wie Wilfried Schober mitteilt. Zwar bestehe durchaus die Möglichkeit, dass ein öffentliches Bieterverfahren dazu führe, dass der Verkaufspreis höher ausfallen könnte, als im Gutachten festgehalten. Allerdings habe die Stadt einen Spielraum, selbst zu entscheiden, ob sie mehr Geld will oder nicht. „Es gibt keinen Zwang mehr als das Angemessene herauszuholen“, sagt Schober.

Neuer Platz für
Handwerksbetrieb

Auch Franz Lukas versteht die Aufregung nicht. Bereits 2012 habe er sich bei der Stadt um ein Gewerbegrundstück beworben. Nachdem ihm die Stadt mitgeteilt habe, dass das Grundstück an der Pürstlingstraße zum Verkauf steht, habe er ein „sehr gutes Angebot abgegeben“ – und den Zuschlag erhalten. „Ich will dort mit meinem Handwerksbetrieb hinziehen“, sagt er.

Nicht ganz
hoffnungslos

Was für Robert Färber, Hans Fritz und seinen Bruder Max bleibt, ist ein fader Beigeschmack. Färber und die Brüder Fritz haben jetzt die Möglichkeit, bei der Verwaltung nach verfügbaren Grundstücken anzufragen. Bei der städtischen Wirtschaftsförderungsagentur sind laut Pressesprecher Christian Schwalm allein für gewerbliche Flächen im Stadtgebiet Anfragen für 500000 bis 700000 Quadratmeter gelistet. Nur eben nicht an der Pürstlingstraße.

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