Zeit für Veränderungen?

von Redaktion

Die Frauenfrage spaltet die Kirche – Drei Rosenheimer Katholiken beziehen Position

Rosenheim – „Ich glaube, dass die Zeit reif ist“, erklärte der Münchner Kardinal Reinhard Marx anfang des Monats. Gemeint war das Diakonat der Frau: „Es soll und muss für Männer und Frauen offen stehen.“ Die katholische Kirche kommt nicht zur Ruhe. Denn auch abseits des Missbrauchsskandals rumort es weiterhin – nicht zuletzt eben wegen der Frauen.

Die Unterstützung durch Kardinal Marx kommt nicht überraschend. Insgesamt stehen die deutschen Bischöfe gespalten zu der Frage. Aber sowieso geht nichts ohne Rom und bisher sprach sich Papst Franziskus gegen jegliche Weiheämter für Frauen aus. Auch wenn er bereits zwei Untersuchungskommissionen eingesetzt hat.

Aber wie stehen die Rosenheimer Katholiken dazu? Pfarrer Andreas-Maria Zach (St. Nikolaus), Pfarrer Sebastian Heindl (Stadtteilkirche Am Zug) und Ingrid Meindl-Winkler Vorsitzende der Ortsgruppe der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) äußern sich in der OVB-Heimatzeitung zu dem strittigen Thema. Stöppler

„Alle einer in Christus“

In den ersten Jahrzehnten der jungen Kirche spielten Frauen durchaus eine zentrale Rolle. Nach den Evangelien bilden sie die ersten Zeugen der Auferstehung. Paulus wusste um ihre Bedeutung, nennt eine Frau namens Junia „Apostel“ und lobt seine Mitarbeiterinnen in den neu gegründeten Gemeinden (Priszilla, Lydia). Augustinus nennt Maria sogar die „Apostolin der Apostel“. Auch die vielen Märtyrerinnen, vor allem in der Verfolgungszeit, geben Zeugnis von selbstbewussten Frauen in der frühen Kirche. Im 2. Jahrhundert bildet sich dann die Amtsstruktur mit Diakonen, Priestern und Bischöfen heraus, die nur Männern vorbehalten waren. Den Stand der Diakonin gab es zwar, aber nicht als Amt. Leider konnte sich die Kirche schon damals gewissen patriarchalen Tendenzen nicht entziehen.

Kein schmerzfreier Schritt

Im letzten Jahrhundert gab es Bestrebungen, geweihte Diakoninnen nach dem Vorbild der frühen Kirche wieder einzuführen. Sowohl auf dem II. Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) als auch auf der Würzburger Synode (1970 bis 1975) war dies ein Thema. Leider ohne den von den Initiatoren gewünschten Erfolg. Die Erfolge bezüglich der Gleichberechtigung der Frau seit den 1960er-Jahren sowie der Mangel an männlichen kirchlichen Mitarbeitern stellen die katholische Kirche heute vor eine neue Situation. In den nächsten acht Jahren werden die hauptamtlichen Mitarbeiter in drei von vier Berufsgruppen um ein Drittel zurückgehen. Die Attraktivität, einen kirchlichen Beruf zu ergreifen, nimmt rasant ab. Wäre es jetzt nicht endlich an der Zeit, die patriarchaler Strukturen aufzubrechen und das umzusetzen, was Paulus im Galaterbrief (3,28) so trefflich formuliert: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seid „einer“ in Christus“? Schmerzfrei wird dieser Schritt wohl kaum erfolgen, denn es gibt noch viele Leute, die an dieser alten Struktur hängen. Aus meiner Sicht wäre es aber höchste Zeit für einen Neuanfang – in Erinnerung an die ersten Jahrzehnte der frühen Kirche.

„Eine Öffnung würde das Bild ändern“

Wir Frauen wollen das Diakonat in unserer katholischen Kirche. Denn: Was wäre die katholische Kirche ohne uns Frauen? Wir sind Wortgottesdienstleiterinnen, Lektorinnen, wir sind in der Kirchenverwaltung tätig, sind Pfarrgemeinderätinnen. Wir sind Seelsorgerinnen, Pastoral- und Gemeindereferentinnen. Wir begleiten unsere Jugendlichen und bereiten sie zur Kommunion und zur Firmung vor, ebenso für unsere Ministrantinnen und Ministranten und Pfadfindergruppen. Frauen putzen nicht nur die Kirchen, sie schmücken sie mit Blumen und Kräutern. In unzähligen sozialen Einrichtungen sind wir aktiv und das vor allem im Ehrenamt. Kurz: Wir sind Kirche vor Ort!

Als KFD-Frauen in der Diözese München – Freising sind wir aktiv. Wir kümmern uns um Seniorinnen und Senioren in der Gemeinde, selbst während der Pandemie haben wir Geburtstage, Weihnachten und Ostern kleine Präsente abgegeben, mit dem Hinweis: Wir sind für euch da!

Auch bei der Integration und Versorgung der geflüchteten Menschen waren und sind wir da und arbeiten oftmals mit anderen Organisationen Hand in Hand. Wir sind es auch die nach Messen und von uns organisierten Veranstaltungen den Menschen zu hören.

Wir wollen in die Verantwortung

Aber Kirche muss mehr tun, als zu helfen und zu unterstützen. Vielmehr, davon sind wir Frauen in der Kirche überzeugt, muss sich Kirche öffnen und demokratisieren. Sie muss auf Menschen zugehen können, sie muss verlässlich sein.

Für all diese Dinge sind wir täglich da und tun, was wir können. Aber wir wollen nicht nur tätig sein, wir wollen auch in der Verantwortung stehen. Wir Frauen in der KFD, der größte katholische Frauenverband in der Bundesrepublik mit mehr als 350000 Mitgliedern, fordert deshalb das Diakonat der Frau!

Lange genug haben wir gewartet. Wo bleibt die Gleichberechtigung der Frau in der katholischen Kirche? Wir wollen gerechte Teilhabe mit Männern und Frauen in der Kirche: Gleichberechtigte Partnerinnen in Rom!

„Gleichberechtigte Partnerinnen“

Auch wenn das Thema „Diakonat für Frauen“ seit dem II. Vatikanischen Konzil immer wieder angesprochen und in vielen kirchlichen Gremien diskutiert wurde, gibt es nach wie vor die ganze Palette von Meinungen und Einstellungen. Von „eine Frau hat keine würdigen Hände eine Monstranz oder Kelch anzufassen“ bis hin, dass es für viele völlig unverständlich ist, dass Frauen in der Kirche keine gleichwertige Behandlung in Bezug auf die kirchlichen Ämter erfahren.

Arbeit im Synodalen Prozess

Wenn ich mit Frauen in den Rosenheimer Gemeinden spreche, dann überwiegt weit die Meinung, dass das Diakonat für Frauen ein erster und wichtiger Schritt für die ersehnte und vielfach besprochene Reform wäre. Gerade die Frauengruppen und -verbände (KFD) innerhalb der Kirche versuchen auf „politischem Weg“ wie im Synodalen Prozess eine positive Entscheidung zu erwirken.

Neue Motivation für viele Gläubige

Aus den biblischen Texten haben viele Theologen nachgewiesen, dass in der frühen Kirche Frauen verantwortliche Posten und Funktionen eingenommen haben, so wie zum Beispiel das Paar Andronikus und Junia (Röm 16,7) Aus der Sicht von vielen Männern und Frauen, die in den Gemeinden engagiert sind, wäre das Öffnen des Diakonats für Frauen ein deutlichmachen von dem, was jetzt schon die Praxis ist: die Seelsorge im diakonischen und liturgischen Bereich wird von Frauen getragen und gestaltet, wie zum Beispiel im Besuchsdienst, im Seniorenpastoral, als Wortgottesdienst-Leiterinnen, Kommunionhelferinnen und in Gruppenstunden für die Erstkommunion. Auch wenn die Ausgestaltung dieses Amts von Männern geprägt ist und manchmal mit überholtem, klerikalem Gehabe verbunden wird, so würde ein Öffnen des Diakonats für Frauen darin Veränderungen bewirken und das Erscheinungsbild verändern. Auf alle Fälle wäre es ein Schritt in eine Richtung, die viele Katholiken erwarten und der neue Motivation gibt.