Rosenheim – Weil er eine Frau geohrfeigt haben soll, musste sich jetzt ein 55-jähriger Mann aus Rosenheim vor Gericht verantworten. Vor Gericht konnten sich sowohl das Opfer als auch ein Zeuge aber nicht mehr so genau an den Vorfall erinnern.
Nicht eindeutig ist die Beziehung zwischen dem 55-jährigen Mann und der 44-jährigen Mutter zweier Kinder. Zwar wünscht sich der Rosenheimer offensichtlich eine tiefere Beziehung, sie dagegen braucht nach ihrer Scheidung erst einige Zeit, bevor sie erneut eine Partnerschaft eingeht. Übereinstimmend ist man aber nach wie vor befreundet – und dass, obwohl die 44-Jährige den 55-Jährigen in der Nacht auf 15. November 2021 bei der Polizei angezeigt hat.
Laut Anklage hatte er sie in dieser Nacht vor einem Lokal in Stephanskirchen volltrunken angetroffen, zur Rede gestellt und mehrfach geohrfeigt. Vor dem Amtsgericht Rosenheim berichtete er, die Frau habe sich ein paar Stunden zuvor in einem Chat per „Gute Nacht“ angeblich von ihm verabschiedet, um ins Bett zu gehen. Per Zufall hatte er sie dann vor dem Lokal volltrunken und auf ein Taxi wartend angetroffen. Er habe sie angesprochen und eingeladen, sie nach Hause zu bringen. Das hätte sie in ihrer Trunkenheit abgelehnt und daraus habe sich ein Streit und schließlich ein Handgemenge entwickelt.
Zu keiner Zeit habe er sie jedoch geschlagen und schon gar nicht absichtlich geohrfeigt. Sie habe sogar noch in der Nacht bei ihm angerufen, sich am nächsten Morgen bei einem Kaffee zusammengesetzt und sich gegenseitig für das „unangemessene Verhalten“ entschuldigt. Nach wie vor sei man gut befreundet und er hoffe darauf, dass sich im Laufe der Zeit daraus eine Liebe entwickle.
Die 44-Jährige bestätigte, dass sie an jenem Abend tatsächlich sehr betrunken gewesen sei. In der Tat habe sie sich bei ihrem Freund – mit der Absicht, Schlafen zu gehen – verabschiedet. Jedoch hatte sie sich anschließend von einer Freundin telefonisch dazu überreden lassen, mit ihr noch in ein Lokal zu gehen.
So ganz genau könne sie sich an den Ablauf der Auseinandersetzung wegen ihrer Alkoholisierung nicht mehr erinnern. Eine Auseinandersetzung habe es wohl gegeben, auch ein Gerangel sei entstanden. In dessen Verlauf – so erinnerte sie sich – habe sie auch mit ihrer Handtasche nach ihm geschlagen. Dass er sie im Gesicht getroffen habe, mochte sie nicht ausschließen. Keinesfalls hätte er ihr aber eine gezielte Ohrfeige verpasst und schon gar nicht mehrere. Jedenfalls hätten sie sich bereits am Morgen zusammengesetzt und die Sache einvernehmlich bereinigt. Man sei noch immer befreundet, sie habe sogar versucht, die Anzeige zurückzunehmen.
Ein Zeuge, der bei der Polizei die Ohrfeigen bestätigt hatte, konnte sich nun kaum noch an diese Geschehnisse erinnern. Auf Nachfragen des Verteidigers Andreas Leicher stellte sich heraus, dass zwar bei der Verhandlung ein notwendiger Dolmetscher für Albanisch anwesend war, der Zeuge, ein Kosovare, jedoch bei der Polizei ohne einen solchen vernommen worden war. Dazu war der Zeuge nach eigenen Angaben in jener Nacht selber alkoholisiert.
Insgesamt schien die Beweislage zwischenzeitig recht dünn geworden zu sein. Ein Knackpunkt wurde erkennbar, als die Vorsitzende Richterin Melanie Lanzendorfer aus dem Bundeszentralregister vortrug, dass der Angeklagte in jüngerer Vergangenheit bereits zweimal wegen Körperverletzungsdelikten verurteilt worden war. Die Richterin erklärte zudem, dass auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung infrage kommen könne.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft bestand in ihrem Schlussvortrag darauf, dass zumindest eine Ohrfeige und mithin eine vorsätzliche Körperverletzung nachgewiesen sei. Weil es jedoch keine nennenswerten Folgeschäden gegeben habe, er andererseits einschlägig vorgeahndet sei, müsse zumindest eine spürbare Geldstrafe in Höhe von 4800 Euro erfolgen.
Der Verteidiger hingegen konnte überhaupt keine strafbare Handlung erkennen. Alles, was passiert sei, sei das gegenseitige Handgemenge gewesen, ausgelöst durch die Trunkenheit der Zeugin. Er beantragte deshalb Freispruch für seinen Mandanten.
Das sah das Gericht anders. Der Angeklagte, der nicht unter dem Einfluss von Alkohol gestanden hatte, hätte diese Auseinandersetzung auch ohne Handgemenge lösen können und müssen. Die Richterin befand, dass der Angeklagte ein Aggressionsproblem habe, was auch seine Vorstrafen erklären. Daran müsse er dringend arbeiten. Wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilte sie ihn zu einer Geldstrafe von 2400 Euro.