Schlechte Ausrede eines Fahrraddiebes

von Redaktion

Ein verhinderter Fahrraddieb versuchte, sich als „Wildbiesler“ herauszureden. Die Richterin in Rosenheim hat jedoch Zweifel, ob es wirklich der Harndrang war, der den Mann letztlich dazu veranlasste, Fahrräder wegzutragen.

Rosenheim – Am Abend des 4. Februar 2021 beobachtete ein Türsteher eines Nachtlokals in der Samerstraße in Rosenheim, wie ein Mann gegen 21 Uhr auffällig um die abgestellten Fahrräder auf der gegenüberliegenden Straßenseite herumschlich. Der Mann machte sich an einem roten Fahrrad zu schaffen, so als ob er dieses aufsperren wollte. So weit ganz normal. Doch ein Kollege des Türstehers, der später zum Lokal kam, sah denselben Mann, wie er sich erneut an einem der Fahrräder – es handelte sich um ein hochwertiges Mountainbike – zu schaffen machte, es gar anhob, um es anscheinend wegzutragen.

Er rief seinen Kollegen und beide eilten hinzu, um den Mann zur Rede zu stellen. Seine Erklärung, die er auch bei der Polizei angab und nun auch sein Verteidiger bei Gericht wiederholte: Keineswegs habe er die Absicht gehabt ein Fahrrad zu entwenden. Vielmehr habe er es nur zur Seite stellen wollen, um ungehindert einem übermäßigen Harndrang Tribut zu zollen.

Zange unter
Auto geworfen

Damit vermochte er allerdings weder die Staatsanwältin noch das Gericht zu überzeugen. Zumal die Zeugen unwidersprochen berichteten, dass der Angeklagte, ein 40-jähriger Kroate aus Rosenheim, sich bereits eine halbe Stunde vor Ort herumgetrieben hatte. Darüber hinaus hatte er sich, als er von den Zeugen angesprochen wurde, einer Zange entledigt, die er unter ein Auto warf.

Das blieb nicht unbemerkt und gegenüber der Rosenheimer Polizei räumte er ein, dass es sich um seine Zange handelte. Dass die Polizei gegen ihn eine Verwarnung wegen „Wildbieseln“ aussprach, half ihm auch nicht weiter, weil das angebliche Urinieren von niemandem bestätigt werden konnte.

Außerdem wies die Sperrvorrichtung des roten Fahrrads deutliche, frische Gewaltspuren auf, die freilich erfolglos geblieben waren. Weil die mitgeführte Zange wohl auch kein geeignetes Werkzeug war, hatte er versucht, das abgeschlossene Fahrrad wegzutragen.

Weil es der erste Diebstahlsversuch des Angeklagten war und darüber hinaus bei ihm ein Blutalkoholgehalt von knapp 1,5 Promille gemessen wurde, beließ es die Vertreterin der Staatsanwaltschaft bei einem Strafantrag von sechs Monaten Haft, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte.

Der Verteidiger Rechtsanwalt Kenan Ertunc hielt die Diebstahlsabsicht nach wie vor für unbewiesen, schlimmstenfalls habe es sich um einen freiwilligen Rücktritt von der Tat gehandelt. Er beantragte deshalb Freispruch.

Auch der Versuch
ist strafbar

Die Vorsitzende Richterin am Strafgericht Rosenheim Julia Haager vermochte dem nicht zu folgen. Zwar anerkannte sie, dass es sich lediglich um einen Versuch gehandelt habe und dass der Angeklagte unter erheblichem Alkoholeinfluss gestanden hatte. Die Urinier-Ausrede verwies sie allerdings ins Land der Märchen und erkannte auf eine Strafe von sechs Monaten Gefängnis. Dies könne zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Bewährungsauflage von 1000 Euro Buße soll ihn daran erinnern, dass es sich nicht um einen Freispruch handelt.

Artikel 8 von 11