Fragebögen-Zustellung wirft Fragen auf

von Redaktion

Abstimmung zur Fußgängerzone – Nicht alle Anlieger erhalten Post von der Stadt

Rosenheim – Seit mehr als 20 Jahren wird darüber diskutiert, ob Wein- und Adlzreiterstraße zur Fußgängerzone werden sollen. Nachdem sich die Stadträte im Oktober 2021 einstimmig für eine Anliegerbefragung ausgesprochen hatten, hat die Stadt jetzt einen Fragebogen verschickt – den allerdings nicht alle Nachbarn und Geschäftsinhaber bekommen haben.

Ähnliche Situation
vor 42 Jahren

Franz Kroiss – der in der Weinstraße wohnt, viele Jahre das „Arte vino“ betrieben hat und dort Wohnraum vermietet – kann sich noch gut an die Zeit vor 42 Jahren erinnern, als bekannt wurde, dass die Stadt den Max-Josefs-Platz in eine Fußgängerzone verwandeln will. Geschäftsinhaber hätten um ihre Existenz gefürchtet, Anwohner um ihre Parkplätze. „Hätte es damals eine Befragung der Anwohner gegeben, wäre die Fußgängerzone nie oder erst wesentlich später entstanden“, ist sich Kroiss sicher. Umso wichtiger sei es in seinen Augen gewesen, dass der damalige Oberbürgermeister Dr. Michael Stöcker sich gegen „alle Widerstände und ohne Befragung“ durchgesetzt hat und eine Fußgängerzone errichtete. „Ihm verdanken wir Rosenheims ‚Gute Stube‘ die heute keiner mehr missen will“, sagt Kroiss.

42 Jahre später scheint sich die Situation nur unweit des Max-Josefs-Platzes zu wiederholen. So wird, wie berichtet, bereits seit mehreren Jahren darüber nachgedacht, die Wein- und Adlzreiterstraße als Fußgängerzone auszuweisen, um die Aufenthaltsqualität dort zu verbessern. Doch die Meinungen hierüber gehen auseinander. Während einige Restaurantbetreiber und Hausbesitzer den Vorstoß begrüßen, befürchten vor allem Ladenbesitzer, dass ihr Geschäft darunter leiden könnte.

Um trotz der unterschiedlichen Ansichten eine Entscheidung treffen zu können, hat die Verwaltung in der vergangenen Woche Fragebögen verschickt. Auf diesem kann angekreuzt werden, ob die Anlieger eine kleine Fußgängerzone in einem Teil der Weinstraße wollen, eine große Fußgängerzone in der Wein- und Adlzreiterstraße, eine Installation von versenkbaren Pollern oder aber alles so belassen wollen, wie es im Moment ist. Der ausgefüllte Fragebogen soll bis Mitte September an die Stadt zurückgeschickt werden, eine Auswertung der Ergebnisse erfolgt dann im Verkehrsausschuss. Doch schon jetzt macht sich Unmut breit. Der Grund: Nicht alle, die in der Wein- und Adlzreiterstraße ansässig sind, haben Fragebögen erhalten.

So hat beispielsweise der Besitzer der Weinlände keinen Fragebogen erhalten, die Wirtin Inge Triebe jedoch schon. Ebenfalls leer ging eine Eigentümerin von Häusern in der Weinstraße aus, die ihren Namen zwar nicht in der Zeitung lesen möchte, ihre Meinung aber trotzdem kundtut: „Eine Fußgängerzone hat in meinen Augen mehr Vor- als Nachteile.“ Sie störe vor allem, dass am Abend Leute durch die Straße fahren, die „dort nichts verloren haben“. Dass die Geschäfte darunter leiden würden, wenn eine Fußgängerzone errichtet wird, kann sie sich nicht vorstellen. Zumal Lieferverkehr – ähnlich wie auf dem Max-Josefs-Platz – auch weiterhin erlaubt wäre.

Vergeblich auf ihre Fragenbögen warten auch Adrian Edenhofer, der den Friseursalon „BRVSH“ in der Weinstraße betreibt und Poli Aktas von der „Café-Bar Cosmo Poli“. Beide sind für eine Fußgängerzone. „Die Poser und Raser stören. Die fahren dreimal innerhalb einer Stunde hier lang“, sagt Aktas.

Warum einige Anlieger, zumindest in der Weinstraße, keinen Fragebogen erhalten haben, kann sich die Stadt nicht erklären. „Die Bewohnerzettel wurden händisch verteilt“, sagt ein Sprecher auf Nachfrage. Eigentümer, die nicht in Rosenheim wohnen, sei die Befragung zudem per Post zugeschickt worden. Insgesamt sind laut Stadt 200 Anwohner, 84 Gewerbetreibende und 90 Immobilieneigentümer befragt worden. „Uns ist bekannt, dass zwar der Großteil, aber noch nicht alle Fragebögen, die vor rund einer Woche verschickt wurden, beim Empfänger eingegangen sind“, heißt es aus dem Rathaus.

Den Fragebogen bereits erhalten, dafür aber noch kein Kreuz gesetzt, hat Gerhard Buluschek. Er betrieb den Haushaltswarenladen Tavola und vermietet nun die Fläche an das Modegeschäft „Sego. Concept Store“. Soweit er weiß, hätten sowohl die Betreiber des Modegeschäfts, als auch seine Mieter in dem Haus am Ludwigsplatz den Fragebogen von der Stadt erhalten. Dieser sei von der Auswahl her zwar gut, dennoch würde er viele offene Fragen unbeantwortet lassen. So sei bei einer möglichen Fußgängerzone nicht geklärt, was mit den Anliegerparkplätzen passieren soll oder wie die Zufahrt zu den Garagen in Zukunft geregelt ist. „Ich tendiere deshalb dazu, es so zu lassen, wie es ist“, sagt Buluschek.

Appell an die Stadtbevölkerung

Ähnlich äußert sich Anton Daurer, der das Geschäft Waffen Daurer in der Adlzreiterstraße betreibt. „Ich bin damit zufrieden, wie es im Moment ist.“ Aus diesem Grund habe er sein Kreuz hinter die Option „Bestand beibehalten“ gesetzt. Auch weil, wie er sagt, seine Kunden weiterhin die Möglichkeit haben sollen, in der Nähe seines Geschäfts zu halten, um die gekaufte Ware einzuladen. „Das war sehr praktisch über die vergangenen Jahrzehnte“, sagt er.

Über Aussagen wie diese kann Franz Kroiss nur mit dem Kopf schütteln. Generell kritisiert er, dass lediglich die Anwohner der Wein- und Adlzreiterstraße nach ihrer Meinung gefragt wurden. „Eine Fußgängerzone ist nicht nur für die Anwohner dieser Straßen da, sondern für alle Bewohner und Besucher der Stadt“, sagt er. Seiner Meinung nach hätte es deshalb eine Befragung der gesamten Stadtbevölkerung geben sollen.

Sein Appell: „Jedem Bürger steht es frei, der Stadtverwaltung einen netten Brief zu schreiben, in dem er sich an dieser Befragung beteiligt.“

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