Rosenheim – Anneliese Schomerus ist Bedienung mit Leib und Seele. Fast 30 Jahre Masskrugstemmen und Schlittentragen liegen hinter ihr. Nun ist das Herbstfest 2022 ihr letztes. Sie blickt gemeinsam mit ihren Kollegen auf eine abwechslungsreiche Zeit zurück.
„Ich höre auf, wann ich will. Dass 2022 meine letzte Wiesn ist, habe ich frei und für mich entschieden“, erklärt Schomerus entschlossen. Gesund und körperlich fit wie sie ist, könnte die 75-Jährige locker noch ein paar Jahre drauflegen – aber sie mag nicht mehr.
In Zukunft als
Gast mitfeiern
„Ich habe immer gesagt, ich mache die Arbeit sehr gerne, aber wenn ich denke, es reicht, dann höre ich auf. Und nun hatte ich Anfang des Jahres das Gefühl, es ist genug. Nach 29 Jahren als Bedienung möchte ich auch einmal als Gast aufs Herbstfest gehen und mitfeiern“, sagt sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
1993 hat sie im Flötzinger-Festzelt begonnen, vier Jahre später ist sie nur noch in der Brauereibox von Auerbräu zu finden. Es folgen 25 weitere Jahre. „Ich liebe diese Festhalle und gehe mit hoch erhobenem Haupt hier heraus. Es war immer sehr schön – ab und zu stressig – aber bedienen habe ich mit viel Freude gemacht. Mit den Gästen war es immer lustig, man kennt sich irgendwann und entwickelt Freundschaften – auch unter den Kollegen. Wir sind eine große Familie.“ Ein bisschen Wehmut schwingt schon mit, wenn Schomerus über ihren Entschluss spricht: „Freilich bin ich ein bisserl traurig. Am zweiten Festsonntag ist mein letzter Arbeitstag, danach bin ich nur mehr Gast. Ich will mich nicht davon schleichen, sondern möchte anständig ‚Pfiat eich‘ sagen – und wenn‘s nur eine Woche Herbstfest war heuer. Mir wird das sicherlich fehlen, am meisten der Geruch der Halle und der Küche, der Geräuschpegel, die Musik, die Gespräche unter uns Bedienungen und die Gäste von Jung bis Alt. Aber ich werde mich daran gewöhnen“, betont sie.
Wiesnbedienung, das geht nur mit Herzblut und Leidenschaft. Die wichtigste Eigenschaft: Freude an der Arbeit mitbringen und mit dem Gast umgehen können – immer mit einem Lächeln im Gesicht. Freilich gebe es auch Gäste, mit denen sie nicht warm wurde, oder solche, die sich über alles beschwerten – doch dafür hat die Flintsbacherin immer einen passenden Spruch auf Lager. Und ein dickes Fell legen sich über die Zeit alle Bedienungen zu.
Schomerus denkt gern zurück an die Zeiten, in denen sie nun Erfahrungen sammeln konnte: „Jedes Jahr ist anders und jedes Jahr ist schön. Noch bevor das Herbstfest eröffnet, kribbelt es mir schon in den Fingern und ich denke mir, hoffentlich geht‘s bald los.“ Die 75-Jährige ist eine Institution in der Auerbräu-Festhalle, Herbstfest sowie Starkbierfest, aber auch Kinderbälle und Tagungen waren bei ihr immer feste Termine im Jahr.
Dass nach über einem Vierteljahrhundert jetzt die letzten Tage auf dem Herbstfest für sie als Wiesnbedienung angebrochen sind, hat Anneliese Schomerus noch gar nicht richtig wahrgenommen. Viel zu sehr fokussiert sie sich auf ihre Arbeit, hält hier und da ein Schwätzchen mit den Kollegen, nachdem wieder zwölf gefüllte Masskrüge an den Tischen abgeliefert worden sind.
Wie mit Stephan Bacher und Andi Mühlbauer. Die beiden werden die 75-Jährige und ihre Art vermissen. „Das Miteinander macht‘s aus“, unterstreicht der Rosenheimer Bacher, warum er so gerne in der Auerbräu-Festhalle bedient. „Hier im Zelt kann ich reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist, und muss mich nicht verstellen.“
Mühlbauer sieht das ähnlich. Ihm ist das Herbstfest und die Stimmung in den vergangenen zwei Jahren „narrisch abgegangen“: „Heuer sind im Team ganz viele Neue dabei – aber man versteht sich gleich und wir finden uns auch alle sofort wieder zurecht. Man fängt da wieder an, wo man aufgehört hat 2019.“ Mühlbauer arbeitet hauptberuflich in der Wasserburger „Schranne“ und hat vergangenes Jahr beim Pfingstfest in Bad Aibling ausgeholfen. „Das kannst aber nicht mit dem Herbstfest vergleichen. Ich freue mich auch schon aufs Oktoberfest, da bin ich in der Bräurosl.“
Bacher macht sich
umsonst Sorgen
Bacher ergänzt, er habe das Daheimbleiben zwar erst lernen müssen, aber auch geschätzt. „Dennoch sind wir alle froh, wieder hier auf der Loretowiese sein zu dürfen. Ich hatte erst Bedenken, ob ich überhaupt noch bedienen kann, aber ich habe mir umsonst Sorgen gemacht. Es haut alles noch hin“, versichert er grinsend.
Nach den 16 Festtagen gibt es bei den 120 Bedienungen, bei denen sich Männer und Frauen bei Auerbräu übrigens die Waage halten, ein lachendes und ein weinendes Auge. Laut Bacher bringe es der Satz „Aus is‘ und gar is‘ und schad is‘, dass‘ wahr is‘…“ genau auf den Punkt. Für Anneliese Schomerus hingegen endet das Herbstfest als Wiesnbedienung bereits am morgigen Sonntag, 4. September. Und dann sicherlich mit gemischten Gefühlen.