Rosenheim – Beim Tanzen lernten sich Anna Maria und Wilhelm Scholz kennen und lieben. Der Weg der beiden Rosenheimer zum Tanzboden ist eine Geschichte, die nur die Schrecken des 20. Jahrhunderts schreiben konnten. „Aber vielleicht hat es so sein müssen“, sagt Anna Maria.
Die Sonne strahlte
bei der Hochzeit
„Wir waren uns halt immer einig“, sagt Wilhelm Scholz. So einfach sei das. „Und wenn wir uns nicht einig waren, dann hat jeder mal nachgegeben.“ Vor 65 Jahren hat seine Anna Maria ihm in Pang das Ja-Wort gegeben. Eine Hochzeit im kleinsten Kreis sei es gewesen, die große Verwandtschaft war weit über die zwei deutschen Republiken verstreut und die Anreise kompliziert. „Drei Wochen hat es nur geregnet, aber dann am 21. September gab es den schönsten Sonnenschein, den man sich vorstellen kann“, erinnert sich Anna Maria. „Und die Musik kam vom Plattenspieler“, ergänzt Wilhelm.
Heuer war freilich viel Besuch da: der Sohn, vier Enkel und drei Urenkel, der jüngste ist noch keine neun Monate alt. Das Haus ist immer noch das gleiche. Wilhelms Vater hat es selbst gebaut, 1952 war das. Vorher hat Wilhelm Scholz, der Jahrgang 1933 ist, mit den Eltern äußerst beengt gehaust. „Mit Mühe und Not hat der Vater das Grundstück gekauft“, erzählt Wilhelm und als gelernter Maurer selbst Hand angelegt. Die Familie kommt nicht aus Pang, sie sind Heimatvertriebene aus dem Sudetenland, seit 1946 sind sie in Bayern. Genau wie Anna Maria. Auch sie ist Sudetendeutsche. Die Erinnerung an Vertreibung und Flucht ist bei ihr noch sehr präsent: „Wir hatten ja nicht mal einen Esslöffel, wir mussten in einer halben Stunde raus aus unseren Häusern“, erinnert sie sich. Die Häuser stehen noch, vor ein paar Jahren sind die beiden in die „alte Heimat“ gefahren, aber es wohnen andere Menschen darin. Im Gegensatz zu Wilhelm kommt sie mit ihrer Mutter zunächst nach Unterfranken, der Vater wird beim Militär in Bad Aibling entlassen. In Rosenheim findet er Arbeit und Unterkunft und holt die Familie im November 1946 nach.
Das alles weiß Wilhelm aber nicht, er weiß gar nichts von Anna Maria. Denn so ähnlich die Wege sind, gekreuzt haben sie sich erst später. Auf einem Tanzboden 1955. „Da sind die Blicke zu den Mädels geflogen“, erzählt Wilhelm. Und der Blick ist bei Anna Maria hängen geblieben. Ob ihr Mann tanzen konnte? „Wir waren beide gleich gut“, sagt Anna Maria. Sie treffen sich ein zweites Mal beim Tanzen und dann hieß es gleich: „Treffen wir uns mal wieder?“, erzählt Anna Maria. „Und dabei sind wir geblieben.“
Das junge Paar heiratet zwei Jahre später. Die beiden sehen auf dem Foto so aus wie heute, nur ein paar Jahre älter. 1962 wird aus dem Paar eine kleine Familie, der erste Sohn kommt auf die Welt und schon eineinhalb Jahre später kommt der zweite. „Da war es ein bisschen eng im Haus“, erinnert sich Anna Maria. Aber ein Anbau schafft Abhilfe. Die gelernte Schneiderin kümmert sich um die zwei Buben, Wilhelm arbeitet bei der Wagnerei Hauser.
In Vereinen
engagiert
1947 fängt er als Lehrling an, er bleibt sein ganzes Berufsleben bei der heutigen Schreinerei: „Es waren ja nur 200 Meter zur Arbeit“, sagt er und lächelt. Die beiden engagieren sich vielfältig in Pang. „Wir haben uns schnell unter die Leut gebracht“, sagt Anna Maria. Sie 45 Jahre beim Kirchenchor, dort war die 89-Jährige noch bis vor ein paar Jahren aktiv. Wilhelm bei der freiwilligen Feuerwehr als Kommandant und im Kirchenvorstand. „Als wären wir hier geboren“, sagt Anna Maria.
„Es hat immer Arbeit gegeben“, erklärt Anna Maria das Geheimnis ihrer langen Ehe. Im Haus, im Garten, mit den Kindern, beim Hauser. „Wir haben alles miteinander besprochen und das dann eben so gemacht“, ergänzt Wilhelm.
Besprochen haben die beiden auch, ob sie in die Zeitung wollen. Da waren sie sich nicht einig, aber einer hat nachgegeben – wie man das ab und zu mal in einer guten Ehe macht.