Rosenheim – Viele Grundschulkinder in der Stadt können gar nicht oder nur schlecht Fahrrad fahren. Das zeigen die Ergebnisse der Fahrradprüfung. Jetzt hat sich der Elternbeirat eingeschaltet –und will gemeinsam mit der Bürgerstiftung Rosenheim und der „Bike Kitchen“ Kinder auf den Fahrradführerschein vorbereiten.
„Bike Kitchen“
unterstützt Aktion
Die Linien sind aufgemalt, die selbst gebastelten Stopp- und Vorfahrtsschilder stehen quer auf dem Bolzplatz in der Prinzregentenstraße verteilt. Vorsichtig streckt Benjamin (9) seinen rechten Arm raus, schaut über seine Schulter und kommt kurz vor der Kreuzung zum Stehen. „Gut gemacht“, sagt Chris. Er ist von der Rosenheimer „Bike Kitchen“ und hat sich – mit zahlreichen andere Mitgliedern – bereit erklärt, Grundschulkindern an gleich zwei Tagen das Fahrradfahren beizubringen beziehungsweise sie auf den Fahrradführerschein vorzubereiten.
„Im vergangenen Jahr haben wir von der Verkehrspolizei die Rückmeldung bekommen, dass sie bei einer Schule keine Prüfung abnehmen konnten, weil ein Großteil kein Fahrrad fahren konnte“, erinnert sich Andrea März. Sie hat selbst drei Kinder und sitzt im Gesamtelternbeirat der Stadt Rosenheim. Weil sie vermeiden wollte, dass sich eine solche Situation wiederholt, beschloss sie, etwas zu verändern. Und stieß bei Safiye Ilhan auf offene Ohren.
Auch sie sitzt im Elternbeirat und ist die Mutter von zwei Kindern, die an diesem Nachmittag ebenfalls ihre Runden auf dem Bolzplatz drehen. „Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, dass es Viertklässler gibt, die nicht Fahrradfahren können“, sagt Safiye Ilhan. Was sie noch mehr schockiere, sei die Tatsache, dass es bisher niemanden aufgefallen zu sein scheint – bis der Tag der Prüfung vor der Tür stand. „Für die Kinder muss das schlimm sein“, vermutet die junge Mutter.
Weil sie nicht mehr „untätig bleiben wollte“, sucht sie – gemeinsam mit Andrea März – den Kontakt zu Christian Hlatky und Ricarda Krüger von der Rosenheimer Bürgerstiftung. Nach mehreren Gesprächen entsteht die Idee, ein kostenloses Fahrradtraining anzubieten. In Zusammenarbeit mit der „Bike Kitchen“ – einer Fahrradwerkstatt zum Mitmachen im Klosterweg 5.
Wie wertvoll eine solche Initiative ist, weiß auch Polizeioberkommissar Wolfgang Werner. Seit 14 Jahren kümmert er sich um die Jugendverkehrsschule und auch er stellt fest: „Die Leistungen der Kinder werden immer schlechter.“ Woran das liegt, kann der Polizeioberkommissar nur vermuten. „Viele Eltern haben weniger Zeit, zudem hat die Corona-Pandemie einiges erschwert“, sagt er.
Im Straßenverkehr
einfach überfordert
Geht es nach ihm, würde er sich wünschen, dass Kinder erst nachdem sie die Fahrradprüfung in der vierten Klasse abgelegt haben, alleine mit dem Rad auf der Straße unterwegs sind. „Davor sind sie im Straßenverkehr einfach überfordert“, sagt er. Sei es wegen der Körpergröße oder weil sie sich zu leicht ablenken lassen. Um ihre Kinder optimal auf die Fahrradprüfung vorzubereiten, wird in der Familie von Safiye Ilhan schon von klein auf mit dem Laufrad geübt. „Bevor meine Kinder drei Jahre alt waren, konnten sie schon alle Fahrradfahren“, sagt sie und zeigt wie zum Beweis auf Meryem und Yunus, die auf dem Bolzplatz ihre Runden drehen. Beide nutzen das kostenlose Angebot, um sich auf die Fahrradprüfung vorzubereiten. Doch es gibt auch Kinder, die noch ganz am Anfang stehen. „Bei dem zweiten Training hatten wir viele Kinder, die schlecht oder kaum Rad fahren konnten“, erinnert sich Ricarda Krüger von der Bürgerstiftung. Sie hofft, den Grundschülern mit dem Angebot zumindest ein wenig geholfen zu haben – damit die Fahrradprüfungen in den kommenden Jahren besser ausfallen.
„Wir sind total begeistert, dass sich die Jungs von der Bike Kitchen sofort bereit erklärt haben uns bei dem Projekt ehrenamtlich zu unterstützen. Wenn es weiter Bedarf gibt, werden wir im Frühjahr das Training wiederholen“, sagt Christian Hlatky.