Rosenheim/Bad Aibling – „Jetzt ist meine Familie endlich glücklich“, sagte eine junge Frau mit Migrationshintergrund am Rande einer Veranstaltung, zu der Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nach Bad Aibling gekommen war. Anlass war eine Zwischenbilanz des Projektes „WoFA – Wohnraum für Alle“, über das Menschen, die es etwa aufgrund von Sprachbarrieren oder Vorbehalten seitens der Vermieter schwer haben, eine Wohnung zu finden.
Evangelische Kirche
und Diakonie helfen
Die evangelische Kirche und die Diakonie unterstützen deshalb Geflüchtete in Bayern bei der Wohnungssuche. An mittlerweile acht Standorten in Bayern wurden seit Projektstart im Jahr 2019 2000 Menschen mit Migrationshintergrund auf dem regulären Wohnungsmarkt vermittelt. Einer dieser Standorte ist die Stadt Rosenheim.
Die Initiative zum bayernweiten „WoFA“-Projekt ging damals in Zusammenarbeit von Rosenheim und Traunstein sowie der Evangelischen Landeskirche aus. Der Standort Rosenheim war seit Anbeginn an der Konzeptentwicklung beteiligt, teilt Thies Schlüter, Diakonie in Oberbayern, auf OVB-Anfrage mit.
Finanziell gefördert wird das Projekt von Beginn an vom Staatsministerium, weswegen Innenminister Herrmann am Mittwochnachmittag (19. Oktober) einen Zwischenstopp im Landkreis Rosenheim einlegte. „Die Idee ist absolut überzeugend“, sagte Herrmann gegenüber den OVB-Heimatzeitungen. Neben staatlichen Hilfen sei ein solches Engagement unglaublich wichtig, „um eben auch diesen Menschen einen Zugang zu angemessenem und bezahlbarem Wohnraum zu ermöglichen“.
Angemessenes Wohnen, so der Innenminister, sei nicht nur ein Grundbedürfnis. „Es ist auch eine wichtige Voraussetzung für Teilhabe und Lebensqualität.“ Da Druck und Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt mittlerweile nicht mehr nur in Großstädten enorm sind, sei es um so wichtiger, Hindernisse abzubauen. „Dass das Projekt auch in dieser Region, südlich von München, so erfolgreich ist, ist ein starkes Zeichen“, betont Herrmann.
Die Initiative sei deshalb so wichtig, da es noch immer Vorbehalte bei Vermietern gegenüber Wohungssuchenden mit Migrationshintergrund gebe. Zudem sei das deutsche Mietrecht für Menschen, die etwa sprachliche Nachteile mitbringen, eine große Herausforderung. Tausende Flüchtlinge lebten zudem noch in Gemeinschaftsunterkünften, „weil sie einfach keine Wohnung finden“, so Herrmann.
Da auch der Krieg in der Ukraine dazu führe, dass wieder mehr Asylsuchende nach Deutschland kommen, brauche man aber auch in entsprechenden Unterkünften, etwa Ankerzentren, dringend mehr Platz. Und genau an dieser Stelle leiste das „WoFa“-Projekt einen wichtigen Beitrag. Dabei wollen die Projektmitarbeiter Interessierte über Rechte und Pflichten eines Mieters informieren und bieten zudem Hilfe bei der Wohnungssuche, Vermieterkontakten, Mietverträgen und ersten Schritten im Mietverhältnis an.
„Wir begleiten die Menschen von Anfang an, auch noch nach dem Umzug“, erklärt Catherine Wehrle, Diakonie Rosenheim. Dazu gehöre etwa auch das Angebot eines „Mietführerscheins“. Die Schulung vermittelt etwa Wissenswertes zu Themen wie Umzug, Strom sparen, Mülltrennung oder Hausgemeinschaft.
Für Dr. Andreas Dexheimer, Leiter der Diakonie-Bezirksstelle Rosenheim, ist das Projekt eine echte „Erfolgsgeschichte“.
Im laufenden Jahr hätte man alleine am Standort Rosenheim 132 Beratungsfälle bearbeitet. Dabei wurden insgesamt 123 Personen – darunter 25 Ukraine-Flüchtlinge – in 38 Wohnungen vermittelt. Für ihre Unterstützung dankte Dexheimer bei der Präsentation neben dem staatlichen Förderer auch Landrat Otto Lederer und Aiblings Bürgermeister Stephan Schlier, die ebenfalls in den Räumlichkeiten der Diakonie Rosenheim (in Bad Aibling) zugegen waren. Laut Sabine Claaßen von der Evangelischen Landeskirche in München basiere das Projekt zum einen auf „Kompetenz bei der Wohnungssuche“. Zum anderen erarbeite man ein Vermieternetzwerk und lege Wert auf eine dauerhafte Nachsorge. Für Oberkirchenrat Stefan Blumtritt, Leiter der Abteilung Gesellschaftsbezogene Dienste im Landeskirchenamt München, haben die Projektmitarbeiter „die Nadel im Heuhaufen gefunden“.
„Die Nadel im
Heuhaufen gefunden“
Denn sie würden Wohnungen vermitteln, die es in der angespannten Marktsituation „eigentlich gar nicht gibt“, so Blumtritt.
Die Frage, warum sich das Projekt an Geflüchtete richtet, dürfe die Gesellschaft nicht spalten. „Ich bin davon überzeugt, dass Integration dazu beiträgt, genau diese Kluft zu verkleinern.“ Neben Rosenheim wird „WoFa“ derzeit in Augsburg, Hof, Kempten, Nürnberg, Schweinfurt, Straubing und Traunstein umgesetzt.
Nicolas Bettinger