„Marienkrönung“ am Grünen Markt

von Redaktion

OVB-Serie „Kunst im öffentlichen Raum“ – Folge 151: „Geist-Haus“

Rosenheim – Eine „Marienkrönung“, hingetupft in locker duftigen Farben, ziert den markanten Erker am Geist-Haus am Ludwigsplatz 12. Geschaffen hat das ansprechende Wandgemälde 1934 der Rosenheimer Maler Michael Licklederer. Auftraggeber waren Anton und Therese Heindl, die das Haus 1928 gekauft hatten und nebenan ihre Metzgerei betrieben. Als Rosenheimer Honoratioren ließ sich das Metzgersehepaar einige Jahre später von dem auch wegen seiner Porträts geschätzten Maler in einem großformatigen und repräsentativen Ölgemälde verewigen.

Der Erker markiert die Stelle, wo der Grüne Markt, wie dieser Teil des Ludwigsplatzes genannt wird, in das Färberviertel übergeht. Das Färbertor, das einst den Markt zum Färberviertel hin abschloss, wurde 1873 abgerissen. Hier am Mühlbach siedelten sich ab dem 15. Jahrhundert Gerber und Färber an, die das Wasser für ihr Handwerk nutzten. So kann auch das Geist-Haus, das die malerische Häuserzeile mit den charakteristischen Laubengängen abschließt, auf eine lange Tradition als Wohn- und Arbeitsstätte von Gerbern oder Lederern, wie sie auch bezeichnet wurden, zurückblicken.

1618 werden mit Hans und Helena Schmidt, die als Weißgerber besonders feines Leder von Kalb, Ziege oder Schaf, wie es für Handschuhe gebraucht wurde, herstellten, namentlich als die frühesten Eigentümer genannt. Dann wechselte das Haus oftmals den Besitzer. Schließlich war es der aus Kraiburg stammende Rotgerber Alois Geist, der 1878 die Erbin Therese Forstner heiratete, und von dem das Haus seinen heutigen Namen erhielt. Als Rotgerber bearbeitete Geist Rinderhäute zu kräftigem Leder für Schuhsohlen, Stiefel oder Ranzen. Doch Alois Geist war nicht nur der Namensgeber, er war auch der letzte Gerber auf diesem Anwesen. Als er 1901 mit 45 Jahren durch einen Sturz starb, bedeutete das auch das Ende der jahrhundertelangen Gerbertradition.

Mit Michael Licklederer hatten Anton und Therese Heindl einen Maler ausgewählt, der genügend Erfahrung mit Wandgemälden hatte und auch auf ansprechende Marien-Darstellungen verweisen konnte, wie am Pfarrhof in Pfaffenhofen am Inn (1905) oder der „Madonna mit dem Kinde“ (1927) in der Prinzregentenstraße, die bereits in dieser Serie vorgestellt wurde.

Der Künstler greift mit seiner „Marienkrönung“ auf traditionelle Darstellungen zurück, wie sie sich seit dem späten Mittelalter in der bildenden Kunst finden. Maria sitzt zentral, Jesus und Gottvater halten die Krone über ihr Haupt; darüber schwebt die Taube des Heiligen Geistes. Üppige Wolken rahmen die ganze Szenerie. Zugrunde liegt die Vorstellung, dass die Muttergottes mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde und dort als Himmelskönigin an der Herrschaft teilhat. Auch die seit dem Barock populäre Vorstellung der „Hausmadonna“, die einem Gebäude Schutz und Wohlergehen sichert, mag hier mitschwingen.

Das Bildthema war jedoch keine neue Idee von Maler und Auftraggebern. An der gleichen Stelle im Putzfeld des Erkers gab es bereits eine „Marienkrönung“, wie ein Foto von 1903 belegt. Dass Licklederer das alte Wandgemälde aber nicht nur restauriert, sondern tatsächlich ein neues Gemälde geschaffen hat, zeigen die deutlichen Unterschiede. Auf dem Vorgängergemälde ist die heilige Maria als Standfigur wiedergegeben und die gesamte Darstellung ist sehr steif und trocken. Es dürfte in den 1860er-Jahren entstanden sein, als der Gerber Andreas Forstner das rechte Nachbarhaus kaufte und beide Gebäude baulich verbinden und durch Trockenspeicher erhöhen ließ. Ob es weitere Vorläufergemälde gab, ist nicht überliefert. 1962 wurde die Lickledersche Marienkrönung von dem Rosenheimer Maler Karl Prokop das letzte Mal restauriert.

Anton Heindl, Enkel der Auftraggeber, kann sich noch gut an die Fronleichnamsprozessionen der Pfarrei St. Nikolaus erinnern, als das Fenster oberhalb des Marienbildes mit Blumen und Kerzen geschmückt wurde. Der frühere Zweite Bürgermeister von Rosenheim gibt ein Versprechen ab: „Für mich ist es eine Verpflichtung, das ,Krönungsbild‘ in den nächsten Jahren wieder restaurieren zu lassen, da die Spuren der Zeit mittlerweile wieder deutlich zu sehen sind.“

Das Werk

„Marienkrönung“, Wandmalerei, 1934, Höhe 95 Zentimeter, Breite 120 Zentimeter, Geist-Haus, Ludwigsplatz 12, Rosenheimfie

Der Künstler

Der Künstler Michael Licklederer, 1863 in Pfaffenhofen am Inn geboren, besuchte in München nach der Zeichnungsfortbildungsschule und der Kunstgewerbeschule die Akademie der Bildenden Künste (1890 bis 1892). Nach der Heirat 1892 mit Mathilde Denk lebte die Familie Licklederer zuerst in Pfaffenhofen am Inn und ab der Jahrhundertwende in Rosenheim in ihrer Villa „Künstlerheim“ in der Austraße. 1948 starb Michael Licklederer in Rosenheim.

Bis Anfang der 1930er-Jahre feierte der Künstler große Erfolge als Maler von Landschaften, Stillleben und Porträts, vor allem von Rosenheimer Honoratioren. Altarbilder (St. Anna in Altötting), Wandgemälde und Kopien für das Städtische Museum Rosenheim runden sein Werk ab. Seit Michael Licklederer 1901 den Simssee als Motiv entdeckt hatte, malte er ihn über Jahrzehnte und wurde zum „Simssee-Maler“ schlechthin. Der Maler pflegte einen eingängigen naturalistischen Stil, der Anklang in Ausstellungen in Rosenheim, München, Hamburg und Berlin fand.fie

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