Rosenheim – Zu wenig Ehrenamtliche, keine geregelte Finanzierung und fehlende Plätze für Mütter mit pubertierenden Söhnen: Im Rosenheimer Frauenhaus gibt es einige Baustellen. Von diesen hat sich jetzt Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf einen Eindruck verschafft. Und es gibt auch eine gute Nachricht.
Ulrike Scharf ist es wichtig, sich ein Bild von verschiedenen Situationen zu machen. Aus diesem Grund hat die Familienministerin das Rosenheimer Frauenhaus besucht. „Das ist für mich selbstverständlich“, sagt sie, während sie sich im Haus umschaut. Sie betrachtet die Bilder an den Wänden, wirft einen Blick in die liebevoll dekorierten Zimmer und lobt die gemütliche Atmosphäre. Eine Stunde hat sie sich Zeit genommen. Sie will wissen, was gut läuft, wo es Nachholbedarf gibt und welche Art von Unterstützung vom Freistaat benötigt wird.
„Das ist eine
Riesenchance“
„Für uns ist das eine Riesenchance“, sagt Marita Koralewski. Es gibt viele Dinge, über welche die Leiterin des Frauenhauses an diesem Vormittag sprechen will. Da wäre beispielsweise die Finanzierung – die in den Bundesländern und den Kommunen Bayerns nicht einheitlich geregelt ist. So können im Rosenheimer Frauenhaus im Moment nur Frauen aufgenommen werden, die aus dem Rosenheimer Landkreis oder Traunstein kommen. „Ich bekomme zum Teil Anrufe von Frauen aus Hamburg, die in einer Notsituation sind. Wir können sie aber nur dann aufnehmen, wenn geklärt ist, wer das Betreuungsgeld übernimmt“, sagt Marita Koralewski. Laut der Leiterin gebe es derzeit Gespräche, um die Situation zu verbessern beziehungsweise zu vereinfachen.
Und auch die Wohnsituation im Frauenhaus sorgt für Kopfzerbrechen. So sei das Haus weder barrierefrei, noch biete es Platz für Frauen mit Söhnen ab zwölf Jahren. „Leider können wir sie in unserem Haus nicht aufnehmen“, sagt die Leiterin. Was es brauche, seien zusätzliche Appartements mit weiteren Plätzen, um auch Frauen mit älteren Söhnen einen Ausweg aus ihrer Notsituation anzubieten. In diesem Zusammenhang macht die Leiterin noch einmal auf einen wichtigen Punkt aufmerksam: „Frauenhäuser sind keine Wohnheime, sondern Kriseneinrichtungen“, sagt Marita Koralewski. Die Frauen könnten mit ihren Kindern für eine begrenzte Zeit Schutz im Frauenhaus finden. „Sobald sie nicht mehr in akuter Gefahr sind, sich emotional stabilisiert haben und ihre Existenz gesichert ist, sollen sie ein neues Zuhause finden“, sagt die Leiterin. Jedoch habe es in der Vergangenheit Zeiten gegeben, in denen Neuaufnahmen unmöglich gewesen seien, da Frauen mit Kindern – obwohl sie nicht mehr in Gefahr waren – im Frauenhaus verweilen mussten und dadurch Plätze für akut gefährdete Frauen blockiert hätten. Der Grund: Bezahlbarer Wohnraum sei schwer zu finden – gerade für alleinerziehende Frauen.
Umso größer sei die Freude über das Modellprojekt „Second Stage“, das vom Bayerischen Sozialministerium auf den Weg gebracht wurde. Seit 2019 unterstützen drei Mitarbeiterinnen Frauen in Rosenheim dabei, sich nach dem Aufenthalt im Frauenhaus eine neue Existenz aufzubauen. „Mithilfe des Projekts gelingt es, dass die Frauen nicht mehr so lange im Frauenhaus sind“, sagt Koralewski. Das Problem: Dieses Projekt läuft zum Ende des Jahres aus.
Gute Aussichten
für Modellprojekt
Doch Ulrike Scharf macht Hoffnung. Zwar könne sie noch nicht allzu viel verraten, es sehe aber danach aus, als ob das Vorhaben für weitere vier Jahre verlängert werden könnte.
Ein weiteres Thema, das im Gespräch mit Familienministerin Ulrike Scharf angesprochen wurde, ist die Tatsache, dass vermehrt Frauen mit Migrationshintergrund Schutz in Frauenhäusern suchen. „Auf uns kam deshalb ein neuer Aufgabenschwerpunkt zu“, sagt die Leiterin. Sie spricht von Ausländerrecht, Zwangsverheiratung, Opferschutz und Integration, erzählt, dass die Fachberatungsstelle „Migra“ ihr hier in den vergangenen Jahren unterstützend zur Seite gestanden habe. „Leider wurde die Finanzierung für diese Beratungsstelle eingestellt“, sagt Koralewski. Ihr Wunsch: eine staatliche Finanzierung.
Kurz bevor sich Ulrike Scharf auf den Weg zu ihrem nächsten Termin macht, verspricht sie, sich auch weiterhin dafür einzusetzen, das Thema „häusliche Gewalt“ aus der Tabuzone zu holen. „Das ist unser großes Bestreben“, sagt sie. Nur so könne gelingen, dass gesehen werde, wie wichtig die Arbeit sei, die im Frauenhaus geleistet werde.