Rosenheim – Christine Knödler will, dass die Besucher der Städtischen Galerie in den kommenden Monaten vor allem eins tun: hinschauen. „Gerade in der letzten Zeit haben politische Themen verstärkt Einzug ins Bilderbuch gehalten. Auch in Büchern für Kinder geht es um Krieg, Flucht, Vertreibung, Ausgrenzung und Angst“, sagte die Publizistin, Literaturkritikerin und Kunsthistorikerin während der offiziellen Eröffnung der Ausstellung. Aus diesem Grund hatte sie bereits seit Längerem mit der Idee gespielt, dem politischen Bilderbuch eine Ausstellung zu bieten.
Überwältigende
Stilvielfalt
Aus der Idee ist mittlerweile Realität geworden. Nach „Zum Kuckuck! Tiere im Bilderbuch!“ im Jahr 2016 und „Licht aus! Die Nacht im Bilderbuch“ 2018 ist „Wegschauen verboten“ nun die dritte Ausstellung zur Kunst im Bilderbuch, die Christine Knödler in Rosenheim erarbeitet hat.
Knödler steht in der Städtischen Galerie, um sie herum befinden sich über 300 Werke von 29 Illustratoren aus dem In- und Ausland. „Die Werke zeigen die Welt, wie sie ist und wie sie sein könnte. Sie beschönigen nicht“, sagt die Kuratorin. Die Vielfalt der Stile sei überwältigend, die Bandbreite der Ausdrucksmittel enorm. Die einzelnen Illustrationen würden sich mit Krieg und Frieden, Flucht und Zuflucht, Rassismus und Repräsentation sowie Gewalt und Gewaltenteilung auseinandersetzen. „Sie gehen an Grenzen und darüber hinaus. Sie überwinden Mauern. Manche sind ausdrücklich für Kinder gemacht, andere wenden sich an ein erwachsenes Publikum“, sagt sie.
Mit der Frage, ob die Ausstellung tatsächlich etwas für junge Menschen ist, hat sich auch Oberbürgermeister Andreas März beschäftigt. „Ist das nicht zu direkt? Zu viel? Zu beängstigend?“, fragte er die rund 100 Zuschauer, die an der offiziellen Eröffnung teilnahmen. Ziel der Erwachsenen sei, die Kinder zu beschützen und sicherzustellen, dass sie eine möglichst sorgenfreie Kindheit und Jugend erleben. „Und so bemühen wir uns stetig, Schlechtes von ihnen fernzuhalten. Auch ich als Vater tue das“, sagte März.
Aber auch er wisse, dass dieses Vorhaben nur bedingt funktioniere. Denn Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Gewalt und Ausgrenzung – die Schieflagen und Bedrohungen in der Welt, wie März sie nannte, seien trotzdem da und oft durch nur einen Klick auf dem Handy einsehbar.
„Also schauen wir hin. Und zwar mit ihnen gemeinsam. Sensibilisieren wir uns alle für die Probleme dieser Welt. Denn für viele dieser Probleme werden auch die nächsten Generationen weiter an Lösungen arbeiten müssen“, lautete deshalb das Fazit von Oberbürgermeister März.
Er bedankte sich bei Monika Hauser-Mair, Leiterin der Städtischen Galerie, und Kuratorin Christine Knödler, denen es gelungen sei, „die durchaus schwierigen politischen Themen mit oder vielmehr durch die Kunst“ anzupacken. „Es macht mich wirklich stolz, dass wir hier in Rosenheim eine solch hochkarätige Zusammenstellung von Bilderbuch-Illustrationen präsentieren können“, sagte März.
Da wären beispielsweise Werke von Jan Birck im Saal vier unter der Überschrift „Flucht? Zuflucht!“. Der Trickfilmkünstler und Cartoonist illustrierte zahlreiche preisgekrönte Kinder- und Jugendbücher. Von ihm stammen die bekannten Bilder zu den „Wilden Fußballkerlen“. Im Saal drei „Gewalt beenden!“ zeigt der Autor und Illustrator Aljoscha Blau seine Werke. Geboren in St. Petersburg, lebt er mittlerweile in Berlin und hat über 60 Bücher illustriert. Viele davon wurden mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet – darunter dem Deutschen Jugendliteraturpreis, dem „German Design Award Gold“ sowie dem Österreichischen Staatspreis.
Technik des
Papierschneidens
Im Saal 2, der den Namen „Stein auf Stein?“ trägt, sind Werke von Horst Klein ausgestellt. Er verbrachte viele Jahre in Ostfriesland, bevor er 1989 für sein Studium der visuellen Kommunikation nach Krefeld zog. Seit 1995 arbeitet er als freier Illustrator und Grafiker für die Zeitschriften „Brigitte“, „Young Miss“ und bis heute für „Eltern first“ sowie für verschiedene Buchverlage. Einige Meter weiter stellt die freischaffende Designerin Felicitas Horstschäfer ihre Werke aus. Ihre große Liebe gilt der Arbeit mit Papier und der Technik des Papierschneidens, die sie vielfach für redaktionelle Illustrationen und Coverdesigns verwendet.
„Vieles wird gezeigt, einiges bleibt ungezeigt. Vielleicht werden Sie etwas vermissen, noch mehr werden Sie hoffentlich entdecken“, sagte Kuratorin Christine Knödler an die Zuschauer gewandt. Ziel des politischen Bilderbuches sei zu sensibilisieren, aufzuklären und zu stärken. Es soll Augen öffnen, Veränderbarkeit sichtbar machen. „Wegschauen ist dann nicht mehr möglich, vor allem ist es nicht mehr nötig“, ist Knödler überzeugt.