Steht der Weihnachtszirkus auf der Kippe?

von Redaktion

Noch keine Aufbauarbeiten auf der Loretowiese – Stadt hat Veranstalter Frist gesetzt

Rosenheim – Der Rosenheimer Weihnachtszirkus steht auf der Kippe: Weil wichtige Unterlagen fehlen, konnten die Veranstalter am gestrigen Freitag nicht wie geplant mit den Aufbauarbeiten auf der Loretowiese beginnen.

Raoul Schoregge lebt für den Zirkus. Nach seiner aktiven Karriere als Clown im Circus Krone und bei Sarrasani, arbeitet er mittlerweile als Manager für den chinesischen Nationalcircus in Europa. In den vergangenen Monaten hat er zudem – gemeinsam mit der „Sarrasani Entertainment GmbH“ – die Organisation des Rosenheimer Weihnachtszirkus unterstützt.

Beachtliche
Resonanz

Dieser soll in der Zeit vom 23. Dezember 2022 bis zum 8. Januar 2023 mit zwei indischen Elefanten und acht arabischen Hengsten nach Rosenheim auf die Loretowiese kommen. „Adriana Folco-Althoff ist im Oktober auf uns zugekommen“, erinnert sich der Manager. Aufgrund einer „langen familiären Verbundenheit“ mit der Familie Folco-Althoff habe er sich bereit erklärt, ihr zu helfen und „viel Zeit, Passion und Geld investiert“ um dafür zu sorgen, dass der Rosenheimer Weihnachtszirkus ein Erfolg wird. „Die Resonanz in Rosenheim war beachtlich. Trotz der Kurzfristigkeit“, sagt Schoregge am Telefon. Die Stimmung sei gut gewesen, bis sich das Rosenheimer Ordnungsamt gemeldet hat. „Wir haben überraschend festgestellt, dass man uns seitens der Veranstalter auf das Übelste hintergangen und belogen hat“, schreibt der Manager nun am Freitag, 16. Dezember. So hätte er unter anderem herausgefunden, dass wichtige Unterlagen fehlen.

Unterlagen, die es jedoch braucht, wenn man – wie es bei Adriana Folco-Althoff der Fall ist – mit acht arabischen Hengsten und zwei indischen Elefanten-Damen auftreten will.

„Gemäß Paragraf 11 des Tierschutzgesetzes benötigt derjenige, der Tiere gewerbsmäßig zur Schau stellen will, die Erlaubnis der zuständigen Behörde“, teilt ein Pressesprecher des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf OVB-Anfrage mit. Nach Angaben der Behörde ist für die Erteilung dieser Erlaubnis primär die Behörde des Ortes zuständig, an dem der Zirkus üblicherweise seinen Sitz oder sein Winterquartier hat. Im Falle von Adriana Folco-Althoff wäre das in Schlüchtern im Südosten Hessens.

„Ich bin davon ausgegangen, dass ein solches Papier vorhanden ist. Jetzt hat sich eben herausgestellt, dass dem nicht so ist“, sagt Raoul Schoregge. Er habe Adriana Folco-Althoff daraufhin eine Frist gesetzt, um ihr die Gelegenheit zu geben, die fehlenden Unterlagen zu beschaffen – jedoch ohne Erfolg. „Bei einem Zirkus mit Tieren muss zu 100 Prozent alles in Ordnung sein“, sagt der Manager. Weil er davon ausgegangen war, dass dies der Fall sei, habe er die Elefanten und Pferde bei der Promotion auch bewusst in den Vordergrund gestellt. So ist auf den Plakaten, die in der Rosenheimer Innenstadt zu sehen sind, beispielsweise Amedeo Folco, der Direktor des Rosenheimer Weihnachtszirkus, mit einem arabischen Hengst abgebildet.

Aufgrund der aufgekommenen Ungereimtheiten hat Raoul Schoregge nun die Zusammenarbeit mit Adriana Folco-Althoff beendet. „Wir können es nicht zulassen, dass grundlegende Qualitätsmaßstäbe, für die seit Langem unsere Namen und Familien stehen, nicht eingehalten werden. Aus diesem Grunde ziehen wir uns mit sofortiger Wirkung aus diesem Projekt zurück“, schreibt er in einer Pressemitteilung. Weitere juristische Schritte gegen den Veranstalter werde man sich vorbehalten.

Schoregge betont aber auch, dass die fehlenden Unterlagen mit Blick auf die Tierhaltung keineswegs bedeuten würden, dass die Tiere schlecht behandelt werden. Davon distanziert hat sich auch Amedeo Folco in einem Interview, das unsere Zeitung vor wenigen Wochen mit dem Direktor des Rosenheimer Weihnachtszirkus geführt hat. „Uns liegt das Wohl unserer Tiere sehr am Herzen und wir engagieren uns mit dem, was wir tun, auch für die Erhaltung dieser Arten, die in der freien Wildbahn häufig schon vom Aussterben bedroht sind“, sagte er.

Und weiter: Er könne nachvollziehen, dass sich Tierrechtler für aus ihrer Sicht ungerecht behandelte Tiere einsetzen. „Ich glaube aber bei allem Respekt, dass der Zirkus hier mitnichten an erster Stelle dieses Kritikansatzes stehen sollte“, sagt der 23-Jährige. Tägliche Bewegung, Fürsorge und die Haltung in Freigehegen entsprechen laut Amedeo Folco internationalen Normen und würden auf das Schärfste von Amtsveterinären überprüft. „Selbstverständlich hat es hier auch schwarze Schafe gegeben, aber im großen Ganzen sind die Tiere wie bei uns auch im Familienverbund aufgewachsen und somit Teil des Kollektivs“, sagt er.

Schwarze Schafe scheint es allerdings auch in der Zirkusfamilie Althoff zu geben, die als eine der ältesten und größten Artisten- und Zirkusdynastien der Welt gilt. 2006 wurden – Medienberichten zufolge – Zirkuschef Giovanni Althoff, seine Ehefrau und die Zirkusmanagerin wegen mehrerer Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zu einer Geldbuße in Höhe von 11700 Euro verurteilt.

Noch viele
ungeklärte Fragen

Eine Stellungnahme von Adriana Folco-Althoff zu diesem Vorfall beziehungsweise zu den fehlenden Unterlagen lag bis Redaktionsschluss am Freitag, 16. Dezember, um 18 Uhr nicht vor. Sie befindet sich nach Informationen unserer Zeitung derzeit – gemeinsam mit den Elefanten und den Pferden – in Tschechien, wo ihre letzten Aufführungen stattgefunden haben. Auch darüber hinaus scheint es noch viele ungeklärte Fragen bezüglich des Rosenheimer Weihnachtszirkus‘ zu geben. „Der Rosenheimer Weihnachtszirkus ist in der Schwebe“, bestätigt Christian Baab, stellvertretender Pressesprecher der Stadt Rosenheim. Die Stadt habe dem Veranstalter eine Frist bis Montag, 19. Dezember, gesetzt, um die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Anschließend entscheidet sich, ob der Zirkus auf der Loretowiese stattfinden kann.

Betroffen von den Unwägbarkeiten ist nun auch eine OVB-Abo-Aktion: Vor Kurzem waren Freikarten für die Premiere am Freitag, 23. Dezember, an Abonnenten ausgegeben worden, was nun ebenfalls in der Schwebe ist. Wir werden unsere Leser diesbezüglich auf dem Laufenden halten.

Sollte der Zirkus nicht stattfinden, sollen die Besucher das Geld für ihre Tickets zurückbekommen. Das bestätigte zumindest Raoul Schoregge gegenüber den OVB-Heimatzeitungen.

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