Rosenheim – Auf dem früheren Firmengelände des Antennenherstellers Kathrein soll ein gemischtes Wohn-, Arbeits- und Kreativquartier entstehen. In der jüngsten Sitzung des Bauausschusses gingen die Meinungen dazu allerdings auseinander. Vor allem Grüne und Freie Wähler/UP störte ein Punkt ganz besonders.
Vom Kritiker zum
Befürworter
Herbert Borrmann gehörte einst zu den größten Kritikern, wenn es um die Planungen rund um das ehemalige Kathrein-Werksviertel ging. „Mittlerweile bin ich ein massiver Befürworter“, sagte er während der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungs- und Baugenehmigungsausschusses. Grund für den Sinneswandel des CSU-Fraktionsvorsitzenden sind die neuen Entwürfe – ausgearbeitet von Laurent Brückner, Andreas Konle, Michael Brem und Andreas Köglmeier.
Brückner und Konle sind die Geschäftsführer der neu gegründeten Kathrein Werksviertel Projektentwicklungsgesellschaft, Kögl- meier Geschäftsführer des „Family Office Kathrein Werksviertels“ und Brem der „Head of Design Unit Architecture and Urban Design“. Geht es nach den vier Männern, soll auf der 20000 Quadratmeter großen Fläche – die nur wenige Hundert Meter vom Rosenheimer Bahnhof entfernt ist – ein Quartier für Wohnen, Arbeiten und Kreative entstehen.
Areal wird als
Parkfläche benutzt
Im Moment liegt das Areal mehr oder weniger brach. Einige Gebäude wurden teilweise abgerissen, die freien Flächen dienen als Parkplatz. Das soll sich in den kommenden Jahren ändern. Geplant sind 70 familiengerechte Mietwohnungen, ein dreieckiges Bürogebäude, in das Büros und Praxen einziehen sollen sowie ein Kreativquartier für Gastronomie, Künstler und soziale Einrichtungen. Zudem soll es einen „Kathrein Park“ als Ort der Begegnung geben mit einem Spielplatz und Infotafeln, die sich mit der Geschichte der Firma Kathrein auseinandersetzen.
„Neben dem Neubau und der Sanierung des historischen Altbestands planen wir auch, unser Kathrein-Museum wieder begehbar zu machen“, sagt Andreas Köglmeier. Zudem sollen neben den klassischen Nutzungen wie Einzelhandel, Büro und Wohnen auch soziale Aspekte nicht zu kurz kommen. „Es ist uns gelungen, mit dem Einzug der Gemeinnützigen Gesellschaft für Soziale Dienste (GGSD) eine Ausbildungsstätte für Pflegeberufe in unseren Gebäuden zu etablieren“, sagt Köglmeier. Ziel sei es, diesen Mieter langfristig an den Standort zu binden.
Neben den sozialen Komponenten sei der Familie Kathrein Köglmeiers Angaben nach wichtig gewesen, einen Partner an Bord zu haben, der nicht nur bereit ist, für die nächsten Generationen etwas zu entwickeln, sondern der auch versteht, was für eine wichtige Rolle Energie spielt.
Dass sich Laurent Brückner und seine Kollegen mit dieser Thematik schon seit vielen Jahren beschäftigen, haben sie unter anderem in Raubling unter Beweis gestellt. Hier ist im Juli 2018 das Büro- und Geschäftshaus „Alpenwerk“ entstanden. Die Besonderheit: 30 Geothermie-Bohrungen, die 99 Meter in die Tiefe reichen, versorgen die Wärmepumpe und ermöglichen so, das Gebäude im Sommer mit sehr niedrigem Energieaufwand zu kühlen und im Winter zu beheizen.
Ähnliche Pläne gibt es für das frühere Firmengelände des Antennenherstellers Kathrein zwischen Anton-Kathrein-Straße, Gießereistraße und Salinstraße. „Unabhängig von den heutigen Entwicklungen auf dem Energiesektor, haben wir uns bereits zu Beginn unserer Planung entschieden, ein grünes und energieautarkes Stadtquartier zu entwickeln, das eine Vorbildfunktion hinsichtlich des CO2-Fußabdruckes und des Energieverbrauches einnimmt“, sagt Laurent Brückner.
Ziel sei es, dass das Kathrein-Werksviertel seinen Strom, die Beheizung und Kühlung der Gebäude vor allem aus der geplanten eigenen Geothermie, dem auf dem Gelände vorhandenen eigenen Wasserkraftwerk, den eigenen Fotovoltaikanlagen und der Abwärmenutzung eines benachbarten Rechenzentrums bezieht. „Wir sind fest davon überzeugt, dass ein solches Energiekonzept in 15 Jahren Standard sein wird“, sagt Brückner.
Mit einer Fertigstellung rechnet der Geschäftsführer – sollte alles nach Plan laufen – frühestens 2026.
Eine erste Hürde wurde jetzt im Stadtentwicklungs- und Baugenehmigungsausschuss genommen. Mit 6:5 Stimmen haben sich die Mitglieder für das Vorhaben ausgesprochen. Laut Rechtsdezernent Herbert Hoch ist das Grundstück nach dem Paragraf 34 des Baugesetzbuches zu beurteilen, da es für das Areal keinen Bebauungsplan gibt. Der Paragraf 34 schreibt vor, dass ein Bauvorhaben dann zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß in die nähere Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Kritik an diesem Vorgehen gibt es von Stadträtin Dr. Beate Burkl (Freie Wähler/UP). „Wir sind seit 2014 an der Sache dran“, sagte sie. Damals habe man jedoch über die Aufstellung eines Bebauungsplans diskutiert, für den – laut Burkl – auch gestimmt wurde. „Es gibt einige Ungereimtheiten“, sagte sie während der Sitzung. Aus diesem Grund könne sie auch nicht für das Vorhaben stimmen.
Davon, dass es einen Bebauungsplan braucht, ist auch Franz Lukas (Grüne) überzeugt – und zwar für das gesamte Areal zwischen Salinstraße, Anton-Kathrein-Straße und Gießereistraße. Dieser Vorschlag wurde während der Sitzung jedoch mit 5:6 Stimmen abgelehnt. Karl-Heinz Brauner (Grüne) kritisierte, dass bei den geplanten Bebauungen der Mühlbach verengt werde. „Der Fluss wird zugänglich gemacht“, widersprach Borrmann. Dafür hatte er sich in einem Gespräch mit dem Bauwerber eingesetzt. Mit dieser Maßnahme erhöhe sich seiner Meinung nach auch die Aufenthaltsqualität.
Lob für das Projekt gab es aus den Reihen der SPD. Fraktionsvorsitzender Abuzar Erdogan regte an, darüber nachzudenken, ob ein Teil des Areals nicht auch für soziale Infrastrukturen wie Schulen oder Kitas genutzt werden könnte. Kritik äußerte er hingegen an der Stellplatzsatzung der Stadt Rosenheim. Diese schreibt vor, dass diejenigen, die in der Innenstadt neu bauen wollen, für jede Wohnung eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen nachweisen müssen.
Diskussion um
Stellplatzsatzung
Für Wohnungen mit einer Fläche bis 100 Quadratmeter braucht es im Moment anderthalb Stellplätze. Wer eine Wohnung hat, die größer als 100 Quadratmeter ist, muss zwei Stellplätze vorweisen. Erdogan plädierte dafür, dass ein Stellplatz pro Wohneinheit ausreiche, zumal sich das Areal direkt gegenüber des Bahnhofs befinde. Die notwendigen Parkplätze werden im Fall des Kathrein-Viertels in einer Tiefgarage untergebracht werden.
„Kathrein gibt es seit über 100 Jahren. Wir wollten eine Symbiose aus Alt und Neu schaffen“, sagt Andreas Köglmeier. „Uns war es wichtig, uns von der industriellen Geschichte des Kathrein-Firmengeländes leiten zu lassen“, ergänzte Architekt Michael Brem.