Diakonie zieht sich aus Pflege zurück

von Redaktion

In Rosenheim fehlen nicht nur Pflegekräfte, sondern auch freie Plätze in den ambulanten Diensten. Jetzt könnte sich die Situation zusätzlich verschärfen, denn die Diakonie zieht sich aus der ambulanten Pflege zurück. Was dahintersteckt und welche Auswirkungen diese Entscheidung hat.

Rosenheim – Erschüttert. Traurig. Überrascht: Es gibt viele Wörter, die den Gemütszustand von Falko Asenkerschbaumer im Moment beschreiben. Seit acht Jahren arbeitet er als Gesundheits- und Krankenpfleger beim ambulanten Pflegedienst der Diakonie Rosenheim. Er kümmert sich um die Patienten, sorgt dafür, dass sie möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung leben können. Doch zum 31. Januar ist damit Schluss. „Die Diakonie zieht sich aus finanziellen Gründen aus der Pflege zurück“, sagt Asenkerschbaumer am Telefon. Ihm und den 15 Mitarbeitern wurde gekündigt, den 70 Patienten nahegelegt, sich nach einem neuen Pflegeplatz umzuschauen.

Ambulante Dienste
sind ausgebucht

Kein leichtes Unterfangen. Denn freie Plätze in den ambulanten Pflegediensten in der Region sind Mangelware. „Ich musste sehr viel telefonieren, um Patienten unterzubringen“, sagt Astrid Brooks. Die Arzthelferin arbeitet seit 17 Jahren im Pflegebereich der Diakonie Rosenheim. „Es ist ein sehr schöner Beruf. Aber man gibt schon sehr viel von sich“, sagt sie.

Eine offizielle Stellungnahme von der Diakonie lag bis Redaktionsschluss nicht vor. Nachvollziehen kann die Entscheidung weder Astrid Brooks noch Falko Asenkerschbaumer. „Wir waren alle ziemlich erschüttert“, sagt der Gesundheits- und Krankenpfleger. Auch weil es niemand hatte kommen sehen, zumal es sich bei der Diakonie um einen kirchlichen Träger handelt.

„Ob das im christlichen Sinne war, ist doch sehr fraglich“, kritisiert Karsten Hoeft. Er ist der Geschäftsführer des Pflegedienstes „Die mobile Krankenpflege“ und Leiter des Arbeitskreises Pflege des Vereins „Pro Senioren“. „Was ich sehr verwerflich finde, ist die Tatsache, dass keiner von den hier ansässigen Pflegediensten informiert wurde, sondern die Patienten eine Kündigung erhalten haben und keinerlei Hilfestellung bei der Suche nach einer weiteren Versorgung geboten wurde“, sagt Hoeft.

Er selbst habe mit zahlreichen Patienten der Diakonie telefoniert. Einige seien bei ihm untergekommen, einen Großteil habe er ablehnen müssen. „Alle Kollegen und Angehörige von Pflegebedürftigen kämpfen mit der schrecklichen Situation“, sagt der Geschäftsführer.

Bereits in der Vergangenheit hat er immer wieder versucht, auf eben diese Situation aufmerksam zu machen. So sei man in Rosenheim mittlerweile an dem Punkt angekommen, dass nicht jeder Pflegebedürftige, der einen Pflegedienst benötigt, auch automatisch einen bekommt. „Ich lehne zwischen zehn und 15 Anfragen in der Woche ab“, sagte Hoeft bereits in der Vergangenheit. Ähnliches berichtete Peter Moser von der Nachbarschaftshilfe: „Wir haben keine Kapazitäten mehr.“

Und auch die Caritas hat alle Hände voll zu tun. „Der ambulante Pflegedienst der Caritas versorgt, behandelt und pflegt aktuell 60 Kunden“, teilt eine Pressesprecherin des Caritasverbands München-Freising mit. Die Versorgungsgebiete würden sich momentan auf die Stadtteile Rosenheim Zentrum, Happing, Aising, Pang, Kaltwies, Endorfer Au, Oberwöhr, Kastenau, Westerndorf St. Peter, Egarten, Langenpfunzen und das gesamte Gemeindegebiet Schechen beschränken. Eine Warteliste werde nicht geführt. „Anfragen werden je nach Versorgungsgebiet, der benötigten Leistungen und der vorliegenden Personalbesetzung aufgenommen“, erklärt die Pressesprecherin.

Es ist eine Situation, die – wie berichtet – auch die Mitarbeiter des Romed-Klinikums vor große Herausforderungen stellt. „Es kommt vor, dass Patienten deshalb teilweise viel länger als medizinisch notwendig in der Klinik bleiben, bis ein Platz gefunden wird“, teilte Pressesprecherin Elisabeth Siebeneicher bereits im November auf OVB-Anfrage mit. Aus diesem Grund würden Romed-Mitarbeiter täglich Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienstleister anrufen, ob es verfügbare Kapazitäten gibt.

Software hilft bei
Koordination

Hilfe biete hierbei eine Software. „Die Kollegen des Sozialdienstes des Romed-Klinikums geben bestimmte notwendige Daten eines Patienten wie zum Beispiel Pflegegrad, notwendige Hilfe und den geplanten Entlassungstag in die Software ein“, sagt Siebeneicher. Die Pflegeeinrichtungen – ambulant wie stationär – würden diese Informationen erhalten und können sich dann mit der Klinik in Verbindung setzen. Andererseits können auch die Pflegeeinrichtungen freie Kapazitäten in die Software eingeben und die Klinik kann sich dann melden. „Grundsätzlich erleichtert diese Software die Zusammenarbeit sehr, eine echte Unterstützung ist es jedoch nur dann, wenn es einen Handlungsspielraum mit freien Kapazitäten gibt, was bei den stationären Einrichtungen derzeit gar nicht der Fall ist“, sagt Siebeneicher.

Eine Besserung der Situation scheint nicht in Sicht. Im Gegenteil. „Es muss etwas getan werden“, sagt Asenkerschbaumer. Wie es für ihn weitergeht, weiß er noch nicht. Auch Astrid Brooks hat noch keine neue Stelle. Ihr tun vor allem die Patienten leid. „Für viele ist es schwer, sich jetzt noch einmal umzustellen“, sagt sie. Eine Wahl bleibt ihnen jedoch nicht.

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