Kommt jetzt das Ein-Euro-Ticket?

von Redaktion

SPD stellt Antrag an OB Andreas März – Blick nach Aschaffenburg und Tübingen

Rosenheim – Geht es nach der SPD, soll das Tagesticket für den ÖPNV an allen Samstagen nur noch einen Euro kosten. Ein Blick nach Aschaffenburg und Tübingen zeigt, welche Vorteile eine solche Entscheidung mit sich bringt. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

Entscheidung soll
im Februar fallen

Die Entscheidung soll Anfang Februar fallen. Darauf einigten sich die Politiker in der Dezember-Sitzung des Stadtrates einstimmig. Bis dahin soll überprüft werden, wie sich die Einführung eines Ein-Euro-Tickets für den ÖPNV an Samstagen umsetzen lässt. Die Idee dazu kommt von der SPD. „Wir wollen das Busfahren nach zwei Pandemiejahren wieder attraktiver machen“, sagt deren Fraktionsvorsitzender Abuzar Erdogan. Er wisse aus den Untersuchungen zum Nahverkehrsplan, dass Verkehrsteilnehmer vor allem dann auf den Bus zurückgreifen, wenn die Tarifstruktur „einfach und übersichtlich“ ist. Neben einem möglichen MVV-Beitritt sei es seiner Meinung nach auch wichtig, ein günstiges Angebot zu schaffen.

Kosten sollen bei
120000 Euro liegen

„Die Nachfrage beim kostenlosen Adventsbus bestätigt uns darin, das Angebot an günstigen Busfahrten auch in Rosenheim auszuweiten“, fügt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ricarda Krüger hinzu. Den finanziellen Aufwand für die Einführung des Ein-Euro-Tickets schätzen die Sozialdemokraten auf etwa 120000 Euro.

Dass kostenlose beziehungsweise kostengünstige Angebote im ÖPNV durchaus funktionieren können, zeigt ein Blick nach Tübingen und Aschaffenburg. In Tübingen gibt es den ticketfreien Samstag im „TüBus“ bereits seit Februar 2018. „Das Angebot wurde so gut angenommen, dass es über den ursprünglich geplanten Zeitraum hinaus verlängert wurde“, teilt eine Sprecherin der Stadtwerke Tübingen auf OVB-Anfrage mit. Ihre Aussage belegt ein Blick auf die Zwischenbilanz aus dem Jahr 2019. Diese zeigt, dass seit der Einführung des ticketfreien Samstags 7200 zusätzliche Fahrgäste den Bus genutzt haben.

„So ein enormer Anstieg ist ein toller Erfolg und lässt nur einen Schluss zu: Der Nulltarif ist ein echter Anreiz für die Fahrgäste“, wurde Boris Palmer, Tübinger Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Tübingen, damals in einer Pressemitteilung der Stadtwerke zitiert. Und auch der Tübinger Handels- und Gewerbeverein (HGV) zog ein Jahr nach der Einführung des ticketfreien Samstags ein positives Fazit: „Die Frequenz am Samstag ist größer, viele Menschen kommen in die Stadt, eben weil es unkompliziert, umweltfreundlich und umsonst ist. Der kostenlose Samstagsbus belebt die Stadt und ist eine enorm sinnvolle Maßnahme zur Stärkung von Handel und Gastronomie.“

Im ersten Jahr nach der Einführung lagen die Kosten bei 220000 Euro. Kompensationen für Zeitkarteninhaber dafür, dass „TüBus“-Fahrten an Samstagen für alle kostenlos sind, sind laut den Stadtwerken Tübingen nicht geplant.

Von 9300 auf
16443 Fahrgäste

Gleiches berichtet Carla Diehl, Sprecherin der Stadt Aschaffenburg. Am 1. Dezember 2018 wurde hier die kostenlose Nutzung des ÖPNV innerhalb der Stadtgrenzen eingeführt – zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2023. „Das Angebot des kostenlosen ÖPNV an Samstagen wird von der Bevölkerung angenommen. Das belegen die Anzahl der Null-Euro-Ticket-Nutzer und die Fahrgastzahlen“, teilt die Sprecherin auf OVB-Anfrage mit. So wurden mit dem automatischen Fahrgastzählsystem an einem durchschnittlichen Samstag im Jahr 2018 circa 9300 Fahrgäste in den Stadtbussen erfasst. „Gemäß der Erhebung liegt die Zahl für 2019 bei 16443 Fahrgästen pro Samstag. Dies entspricht einer Steigerung von 77 Prozent und übersteigt somit die anfänglichen Erwartungen von 20 Prozent deutlich“, heißt es aus dem Aschaffenburger Rathaus.

Um weitere Erkenntnisse über die Nutzung des Null-Euro-Tickets zu gewinnen, wurde eine Verkehrserhebung an Samstagen in Auftrag gegeben. Das Ergebnis der Erhebung bildet laut der Sprecherin die Grundlage für den Ausgleich der Verluste aus den entgangenen Fahrgeldeinnahmen. „Es wurde mit einem jährlichen, von der Stadt Aschaffenburg zu tragenden Ausgleichsbetrag in der Höhe von circa 285000 Euro kalkuliert“, heißt es vonseiten der Verwaltung.

Alles in allem zieht man in Aschaffenburg ein positives Fazit – auch mit Blick auf die Verbesserung der Luftqualität. „Nach Einschätzung des Umweltamts hat das Samstagsticket nicht unmittelbar, aber indirekt zu einer Verbesserung der Luftqualität geführt“, teilt die Sprecherin mit. Zwar hätten die Fahrgastzahlen zugenommen, die Parkhausbelegungen gingen gleichzeitig aber nicht zurück. Das wiederum heißt: Es sind mehr Menschen in der Stadt unterwegs gewesen, ohne dass die Luftqualität schlechter geworden ist.

Ähnliche positive Ergebnisse erhofft sich die SPD von ihrem Antrag. „Mit dem Ein-Euro-Ticket haben die Bürger ein Mobilitätsangebot, das preislich jeden Parkplatz aussticht, umweltfreundlich ist und bei entsprechender Nachfrage zu einer kürzeren Fahrzeit führt“, sagt Erdogan.

Doch es gibt auch kritische Stimmen. „Grundsätzlich halte ich es für sehr erstrebenswert, Bürgern einen Anreiz zu geben, vom eigenen Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. Ich denke allerdings nicht, dass das derzeit diskutierte Ein-Euro-Ticket an Samstagen den erhofften Effekt bringen wird“, sagt Oliver Kirchner, Geschäftsführer der RoVG. So würden seiner Meinung nach nicht automatisch mehr Kunden den Bus nutzen, nur weil der Einzel-Fahrkarten-Preis einmal pro Woche von aktuell 2,10 Euro auf einen Euro sinkt. „Das Ein-Euro-Ticket müsste zudem mit öffentlichem Geld subventioniert werden. Geld, das in die Verbesserung des Fahrplanangebotes investiert werden sollte“, fügt Kirchner hinzu. Das grundsätzliche Ziel sollte seiner Meinung nach sein, den ÖPNV insgesamt attraktiver zu machen. Das könnte zum Beispiel bedeuten, die Betriebszeiten der Buslinien auszudehnen. „Dazu gehört, auch wenn es unpopulär ist, die Parkgebühren anzuheben beziehungsweise an mancher Stelle überhaupt erst einzuführen“, sagt Kirchner. Die Mehreinnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung könnten laut dem Geschäftsführer in eine Verbesserung und Steigerung der Attraktivität des Stadtbusses investiert werden.

Stadt müsste
Kosten übernehmen

Sollte ein Ein-Euro-Ticket an Samstagen in Rosenheim gewünscht werden, bräuchte es nicht nur einen politischen Beschluss, sondern auch eine Zusage der Stadt, die Fahrgeldausfälle zu übernehmen. „Zudem stellt sich die Frage, wie mit bereits bezahlten Zeitkarten umgegangen wird. Der Zeitkartenpreis basiert auf Grundlage der aktuellen Fahrpreise und müsste gegebenenfalls angepasst oder erstattet werden“, sagt Kirchner.

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