Blumen statt Kleckse

von Redaktion

Abeer Al Raheb stellt noch bis zum 19. Februar in der Stadtbibliothek aus

Rosenheim – Abeer Al Raheb malt nicht mit Pinsel oder Spachtel. Die Blumen auf dem Bild, das im Kinderhaus in der Stadtbibliothek an der Wand hängt, sind gegossen. Pouring nennt sich die Technik, die die Rosenheimer Künstlerin für ihre Bilder verwendet. Dass dabei nicht nur wilde Formen, sondern Motive und im konkreten Fall sogar die Art der Blumen deutlich zu erkennen sind, mag überraschen, aber die Bilder Al Rahebs sprechen für sich.

Die 52-Jährige stellt im Augenblick in der Rosenheimer Stadtbibliothek aus. Ein Ausstellungsort, über den sie sich besonders freut: „Meine Bilder brauchen Licht, und die Bibliothek hat ein tolles Publikum“, erklärt sie. Schon einmal hat sie versucht dort auszustellen, aber beim ersten Mal hat es aus organisatorischen Gründen nicht geklappt.

Spiel mit Farben
und Materialien

„Da hatten wir einfach keine Lücke“, sagt Gabriela Schmidt von der Rosenheimer Stadtbibliothek. Von Kuratieren will Schmidt nicht sprechen, aber natürlich hat sie gewisse Ansprüche an die Bilder, die ausgestellt werden: „Die Bilder im Kinderhaus müssen etwas sein, das Farbe hat, deren Motive leicht erkenntlich sind. Ich kann nicht einfach Erwachsenen-Ausstellungen ins Kinderhaus hängen“, erklärt sie. Und Al Rahebs Bilder passten perfekt ins Kinderhaus: „Wir werden oft von Besuchern angesprochen, wo wir die her haben und wer die gemalt hat. Wir vermitteln natürlich dann auch den Kontakt, wenn jemand ein Bild kaufen möchte.“ Und auch Schmidt selbst ist sehr zufrieden. „Ihre Bilder haben so eine positive Ausstrahlung und sind so nach vorne gedacht“, erklärt sie.

Beim Pouring werden verschiedene Farben – meist Acryl, aber Al Raheb nimmt auch Ölfarben – in einem Becher aufeinander geschichtet. Durch ein sogenanntes Pouring-Medium werden die Farben gebunden. Al Raheb nimmt je nach Bild noch andere Mittel hinzu, etwa Silikon, das die Farbvielfalt erhöht. „Ich fühle mich wohl, wenn ich bei meinen Bildern mit den Farben spiele“, sagt sie. Sowieso ist die Auswahl der Farben wichtig. Zu ähnlich dürfen sie sich nicht sein, erklärt sie, besser sei es, kontrastreichere Farben zu nehmen.

Seit dem siebten Lebensjahr malt sie gerne. Den ein oder anderen Preis, erzählt sie, hätte es auch schon gegeben. Kein Wunder, schließlich ist ihr die künstlerische Begabung quasi in die Wiege gelegt worden. Der elterliche Betrieb verkaufte eigens hergestellte Kleinkunst wie Christbaumschmuck und exportierte die Produkte aus Damaskus auch nach Deutschland. Auch ihre Schwester ist Künstlerin. Sie malt Ikonen für die orthodoxe Kirche, obwohl sie – wie Abeer Al Raheb – katholisch ist.

Blüten und Meer
als bevorzugte Motive

Seit nun 22 Jahren malt beziehungsweise gießt Al Raheb nun in Rosenheim. Spezielle Motive, sagt sie, habe sie nicht. Wohl aber bevorzugte: Blumen oder das Meer zum Beispiel. Grundsätzlich blieben die Bilder aber abstrakt, erklärt sie. Denn die Abstraktion schafft eine größere Offenheit für Perspektiven und Interpretationen. Dazu trägt auch das Pouring bei. Weil die Farben über das Bild fließen und nicht gestrichen werden, wirken die Bilder sehr lebendig und bewegt. Gleichzeitig, erklärt Al Raheb, fülle sie manchmal genau die gleichen Farben in einen Behälter und dennoch entstünden zwei unterschiedliche Bilder. Eine hundertprozentige Kontrolle gebe es eben beim Pouring nicht. Genau das hat auch Schmidt fasziniert: „Ich finde spannend, dass jemand mit so einer Unsicherheit arbeitet“, sagt sie.

Auch Al Raheb stört diese Unsicherheit nicht – im Gegenteil: „Das macht die Bilder vielfältiger“, erklärt sie und fügt lachend hinzu: „Manchmal werden sie auch viel besser, als ich es mir vorgestellt habe.“ Die Technik bringt auch durch das Fließen bei vielen Motiven eine starke Natürlichkeit mit. Etwa bei den Meereswellen, auf denen die Boote hin und her schwanken.

Erst die Idee,
dann die Ausführung

Abeer Al Raheb gießt aber nicht einfach drauf los, wie viele andere Pouring-Künstler. Sie hat eine klare Idee im Kopf. Woher die kämen, könne sie nicht genau sagen. „Sie sind einfach da“, erklärt sie. Die grundsätzliche Idee zum Gießen kam ihr beim Anblick eines Pouring-Bilds, das aber rein abstrakt war. „Da waren viele schöne Farbkleckse“, erzählt sie, „aber ich dachte, dass es noch viel schöner wäre, wenn die Kleckse nicht nur Kleckse wären, sondern eben vielleicht Blumen.“

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