Keine Duschen und schimmelnde Wände

von Redaktion

Die Not in der Rosenheimer Obdachlosenunterkunft ist groß

Rosenheim – Sabrina H. fehlt die Kraft zum Kämpfen. „Ich habe einfach keinen Nerv mehr“, sagt sie. Seit sechs Jahren lebt die Verkäuferin mit zwei weiteren Personen in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung an der Tannenbergstraße 1a. Die Heizung fehlt, von der Decke tropft es, und an den Wänden gibt es nur noch wenige Stellen, die nicht schimmeln. Hinzu kommt, dass es in dem Gebäude, das von der städtischen Wohnungsbau- und Sanierungsgesellschaft (GRWS) unterhalten wird, weder Badewannen noch Duschen gibt. Wenn sich Sabrina H. also waschen will, setzt sie sich im Schneidersitz in eine Kunststoffwanne und gießt Wasser über ihren Körper. So geht das seit sechs Jahren.

Stadt verspricht
neue Wohnungen

Umso größer, sagt sie, sei die Erleichterung gewesen, als sich die Rosenheimer SPD des Themas angenommen habe – und die Öffentlichkeit über die Situation informiert wurde. „Einige Tage danach waren Mitarbeiter von der Stadt da und haben uns versprochen, dass wir neue Wohnungen bekommen“, erinnert sich Sabrina H. Zudem sollte ein Container vor das Haus gestellt werden, damit die Bewohner schon einmal damit beginnen könnten, ihre Wohnungen auszuräumen.

„Viele Möbel sind aufgrund des Schimmels und der Nässe nicht mehr zu gebrauchen“, sagt Lisa F. Auch sie lebt – gemeinsam mit ihren Kindern – seit sechs Jahren an der Tannenbergstraße. Weil die Altenpflegerin aufgrund von gesundheitlichen Problemen im Moment nicht arbeiten kann, fehlen ihr die Alternativen. „Die Situation ist nervenbelastend“, sagt sie.

Und dabei sollte Ende des vergangenen Jahres eigentlich alles besser werden. Die GRWS habe sie – anders als Sabrina H. – zu einem Besichtigungstermin an die Oberwöhrstraße eingeladen, im Januar sollte der Umzug sein. Seitdem wartet sie auf die Schlüsselübergabe. „Meine Kinder fragen mich jeden Tag, wann es denn endlich soweit ist“, sagt Lisa F. Eine Antwort habe sie nicht, denn Anrufe bei der GRWS würden ihr zufolge im Leeren verlaufen. Und auch von dem Container fehlt bisher jede Spur.

Etwas anders schildert man die Situation im Rosenheimer Rathaus. „Die betroffenen Personen wurden über den Sachstand bereits mehrmals informiert“, teilt ein städtischer Pressesprecher auf OVB-Anfrage mit. Weil die Wohnungen an der Tannenbergstraße nicht sanierungsfähig seien, habe man von einer Einrichtung von Duschmöglichkeiten abgesehen.

Stattdessen werden dem Sprecher zufolge drei Ersatzwohnungen für die Tannenbergstraße zur Verfügung gestellt. „Zwei Wohnungen in der Oberwöhrstraße wurden Anfang des Jahres an die Stadt übergeben“, heißt es aus dem Rathaus. Die dritte vorgesehene Wohnung musste kurzfristig nach einem Brand an der Argonnenstraße an einen Bewohner als Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt werden.

„Sobald eine dritte Wohnung frei wird, wird sie auch an einen Bewohner der Tannenbergstraße vergeben“, teilt die Verwaltung mit. Die beiden Wohnungen in der Oberwöhrstraße konnten deshalb noch nicht bezogen werden, da es bei der Lieferung und bei den für den Aufbau der Küchen notwendigen Handwerkern zu Verzögerungen gekommen sei. „Sobald die neuen Einzelobdachlosenunterkünfte betriebsbereit sind, erfolgt umgehend der Bezug“, teilt der städtische Pressesprecher mit.

Doch trotz der fehlenden Duschmöglichkeiten, den schimmelnden Wänden und den undichten Decken hat die Stadt in den vergangenen sechs Jahren rechtlich gesehen nichts falsch gemacht. „Bei der Auswahl, Ausstattung und Belegung von Obdachlosenunterkünften wird den Gemeinden durch das Polizei- und Ordnungsrecht der Länder ein weites Gestaltungsermessen eingeräumt“, teilt ein Sprecher des Bundesbauministeriums auf OVB-Anfrage mit. So hätten beispielsweise Frauen derzeit keinen Anspruch auf ein separates Zimmer. Deshalb nutzten viele Frauen Obdachlosenunterkünfte nicht, heißt es aus dem Bauministerium – „aus Angst vor Übergriffen“. Das wiederum führe zu verdeckter Obdachlosigkeit.

Und das sei eine Situation, aus der viele Frauen nur schwer wieder herauskommen. „Der Bund verfügt jedoch nicht über die Kompetenz, gesetzliche Mindeststandards vorzugeben“, sagt der Sprecher und verweist auf eine Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 1999.

Minimum der Anforderung gegeben

Dort wurde die Minimalanforderung an eine Obdachlosenunterkunft wie folgt beschrieben: „Ein hinreichend großer Raum, der genügend Schutz vor Witterungsverhältnissen bietet, wozu im Winter die ausreichende Beheizbarkeit gehört, hygienische Grundanforderungen wie genügende sanitäre Anlagen, also eine Waschmöglichkeit und ein WC, eine einfache Kochstelle und eine notdürftige Möblierung, wozu mindestens ein Bett und ein Schrank beziehungsweise eine Kommode zählen, sowie die elektrische Beleuchtung.“

Diese Anforderungen erfüllt die Wohnung an der Tannenbergstraße. Und doch fehlt viel. An schnelle Abhilfe glaubt Sabrina H. mittlerweile nicht mehr. „Ich habe immer noch keine Information über eine mögliche Wohnung“, sagt sie. Kurz wird sie leise. Dann fügt sie hinzu: „Man hat uns schon wieder vergessen.“

Mehr Informationen aus dem Bauministerium

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