„Wir sind vor dem falschen Gericht!“

von Redaktion

Verfahrensfehler machte Beweisführung zunichte – Prozess muss komplett neu aufgerollt werden

Rosenheim – Ein 39-jähriger Maler war vor dem Schöffengericht Rosenheim unter dem Vorsitz von Richter Matthias Knoblauch des mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern angeklagt.

Der Vorwurf: Im Juni 2011 habe er die damals 18-jährige Nichte während eines Besuches in seinem Schrebergarten sexuell belästigt, das heißt an Po und an den Brüsten betatscht. Als diese das ihrer Tante berichtete, stieß die junge Frau auf Unglauben. Die ebenfalls anwesende Halbschwester (26) erklärte daraufhin, auch sie habe derselbe Onkel bereits im Kindergartenalter sexuell missbraucht. Weil die Familie den beiden Frauen nicht glauben wollte, entschlossen sie sich, die Vorfälle anzuzeigen. Dazu komme, dass es in der Familie wieder ein Kind im Grundschulalter gebe und sie dieses vor ähnlichen Übergriffen schützen wollten.

Der Angeklagte und sein Verteidiger bestritten die Vorwürfe. Selbstverständlich habe es viele familiäre Kontakte gegeben, aber zu solchen Übergriffen sei es niemals gekommen.

Die Nichten wurden als Zeugen befragt, wobei im Fall der 26-Jährigen zwar etliche Vorgänge detailgenau beschrieben wurden, präzise Zeitangaben und äußere Umstände im Dunkeln blieben, wohl auch dem großen Zeitabstand geschuldet. Auch bei dem jüngsten Vorfall mit der jüngeren Schwester gab es für das Gericht noch Fragen.

Doch zu einer Klärung kam es nicht mehr. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft überraschte das Gremium mit der Erkenntnis: „Wir sind vor dem falschen Gericht!“ Niemandem der Beteiligten an diesem Strafprozess war bis dahin aufgefallen, dass der Angeklagte zum ersten Tatzeitpunkt 2003 höchstens 20 Jahre alt gewesen sein konnte. Damit ist aber auf alle Fälle das Jugendschöffengericht zuständig. Dies wurde auch vom Gericht als Tatsache anerkannt. Deshalb erfolgte der Beschluss, dass dieses Verfahren abgebrochen und an das Jugendschöffengericht verwiesen werden müsse. Andernfalls wäre dies ein geradezu klassischer Grund für ein Revisionsverfahren gewesen. Theo Auer

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