Rosenheim – So einfach ist es für Dr. Daniela Mann nicht, Gemeinsamkeiten zwischen Briançon und Rosenheim zu finden. Zu unterschiedlich sind die beiden Orte, die seit nun fast 50 Jahren eine Freundschaft verbindet. Sie überlegt ein wenig und nennt als erstes den hohen Freizeitwert. In Briançon könne man aufgrund der alpinen Lage schließlich im Winter hervorragend Ski fahren und im Sommer wandern oder klettern. Aber dann sagt sie die viel wichtigere Gemeinsamkeit: „Bürger, die sich mit aufrichtiger Freundschaft und Herzlichkeit für einen deutsch-französischen Austausch engagieren.“
Vom Erbfeind
zum Partner
Dass die deutsch-französische Freundschaft, die in diesen Tagen ihr offizielles Jubiläum gefeiert hat, nun so lange existiert, ist angesichts der Geschichte der beiden Länder eigentlich ein Wunder. Schließlich war Frankreich nur kurz vor dem Unterzeichnen des Élysée-Vertrags noch der „Erbfeind“ gewesen. Allein in den 100 Jahren davor hatten die beiden Nachbarländer drei große Kriege miteinander geführt – jeder davon ging auf deutsche Aggression zurück und insbesondere der Zweite Weltkrieg und der Holocaust hinterließen Krater der Verwüstung.
Dass eben im Januar 1963 die zwei großen Europäer Charles de Gaulle und Konrad Adenauer zusammenfanden, um die Feindschaft zu begraben und aus den Ländern Partner und Freunde zu machen, war nicht so leicht, wie das aus heutiger Perspektive vielleicht wirken kann. Und es hat funktioniert: Heute vergeht kein Treffen der Staatsoberhäupter ohne die tiefe Freundschaft und Verbundenheit der beiden Länder zu betonen. Dass diese Freundschaft nicht nur durch warme Worte beschworen wird, liegt auch an den vielen Partnerschaften, die deutsche Kommunen mit den französischen pflegen – wie eben Rosenheim und Briançon.
Die geht, wie Dr. Daniela Mann, Vorsitzende des Fördervereins Städtepartnerschaft Rosenheim-Briançon, lachend erklärt, auch auf einen „großen Europäer“ zurück: ihren Vater. Georg Weindl organisierte nämlich eine Fahrt zu den Olympischen Spielen nach Grenoble. Ein großer Wintersportfan sei er gar nicht gewesen, sagt Mann, sondern es ging ihm um den europäischen Austausch.
Er sprach selbst kein Französisch, aber dennoch entwickelten sich schnell Freundschaften zu Bürgern Briançons. Und aus diesen Freundschaften entstand dann die Städtepartnerschaft, die 1974 in Rosenheim durch die Unterschriften von Paul Dijoud und Albert Steinbeißer ganz offiziell wurde.
Bis heute besuchen sich Gruppen gegenseitig, auch das Karolinen-Gymnasium pflegt einen Austausch mit zwei Partnerschulen in Briançon. Dabei darf jeder Rosenheimer mitfahren. Meist, berichtet Mann, gebe es eine gemeinsame Unterkunft im Hotel, aber natürlich könne man auch anderweitig unterkommen. Die Franzosen seien da sehr entspannt, sagt sie, „sie öffnen gerne ihre Häuser für Gäste.“
Ein gemeinsames Programm gibt es freilich auch: Von extremen Klettertouren über entspannte Wanderungen und natürlich Kultur sei für jeden etwas dabei. Manchmal, wie im vergangenen Sommer, mischt sich auch ein anderes Highlight bei: Genau am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, machte die Tour de France halt in Briançon. Beziehungswiese dort startete die zwölfte Etappe.
Für Mann ist neben Bergen und persönlichen Freundschaften aber auch die politische Dimension ihres Engagements wichtig: „Die Franzosen haben die selben Sorgen und Nöte wie wir“, sagt sie. Und der Blick auf das Nachbarland sei gerade angesichts der Europa-Müdigkeit wichtig. Ganz zu schweigen davon, dass eben auch Städtepartnerschaften wie Rosenheim-Briançon ihren Beitrag zur Stabilität in Europa, zum Öffnen der Grenzen und zur Zusammenarbeit leisten.
Brüchiger Friede
in Europa
Etwas, bei dem Oberbürgermeister Andreas März Daniela Mann zustimmt: „Die Stadt Rosenheim ist stolz darauf, diese deutsch-französische Freundschaft auf kommunaler Ebene mit ihrer französischen Partnerstadt Briançon zu pflegen.“ Der Krieg in der Ukraine, erklärte der Oberbürgermeister, hätte gezeigt, wie brüchig Frieden sein kann. Dass es 82 Jahre Frieden in Mitteleuropa gegeben hätte, hielten viele Zeitgenossen von Adenauer und de Gaulle für unmöglich. Doch gerade „dem Zusammenschluss der europäischen Staaten von den zaghaften Wirtschaftsanfängen bis hin zur Europäischen Union sei es zu verdanken, dass der Frieden seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bewahrt wurde.“
Für Mann bleibt Briançon freilich auch abseits der großen Politik wichtig: „Briançon ist eine kleine, zweite Heimat für mich.“ Im kommenden Herbst organisiert der Verein die nächste Fahrt in die französischen Alpen. Ob Mann selbst mitfahren kann, weiß sie noch nicht. Aber der nächste Briançon-Besuch wird nicht lange auf sich warten lassen.